Seite:De DZfG 1892 07 316.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ja doch gewiss sei[1]. Plötzlich schlug sein Entschluss um. Am 26. Oktober 312 verliess er mit seiner Familie das Palatium und siedelte in eine Privatwohnung über; ein Traum hatte ihm verkündet, dass er am bisherigen Orte seiner Freuden und Erfolge nicht mehr verweilen dürfe[2]. Er liess die Sibyllinischen Bücher befragen und erhielt die Weissagung, am Feste seines Regierungsantritts, das in zwei Tagen bevorstand, werde den Feind Roms sein Verderben ereilen[3]. Da ein so schneller Erfolg bei einer Belagerung unmöglich eintreten konnte, so combinirte der abergläubische Mann diese Prophezeihung mit der Weisung des Traumes, dass er seinen Wohnsitz verlassen solle, und beschloss, vor die Thore hinauszuziehn und am 28. Oktober eine Schlacht zu liefern. Noch ein weiteres Omen fügte er hinzu: Hatte er unter der Stadtpräfectur eines Annius Anullinus die Krone erhalten und die Angriffe des Severus und Galerius abgeschlagen, so ernannte er auch jetzt, noch am Vorabend der Schlacht, einen andern Annius Anullinus, wahrscheinlich den ehemaligen Gardepräfecten des Severus, zum höchsten Beamten Roms[4], damit dieser Name des Heils auch seinem dritten Entscheidungskampfe Glück bringe. So waren alle Mächte des Aberglaubens aufgeboten. Beide Gegner hatten das denkbar Unzweckmässigste gethan, denn beide liessen sich nicht durch klugen Rathschlag und strategische Erwägung, sondern durch Träume und Zeichen leiten. Wer jetzt den Sieg gewann, der gewann ihn nicht nur für sich, sondern vor allem für seine Götter[5].

  1. Eumen. Paneg. IX, 15.
  2. Eumen. Paneg. IX, 16.
  3. Zos. II, 16, 1; Lact. de mort. pers. 44; vgl. Eumen. Paneg. IX, 16.
  4. Chronogr. von 354 S. 67.
  5. Die folgende Schilderung der Schlacht beruht in erster Linie auf der Kenntniss des Geländes, welche ich theils Moltke’s Karte der Campagna, theils eigener Anschauung verdanke. Da meine Erinnerung ein wenig verblasst war, hat mein Schwager Otto Jessen, der sich eben in Rom aufhält, meine Darstellung an Ort und Stelle einer sorgfältigen Controle unterzogen und mir einige wichtige Gesichtspunkte zu ihrer Vervollständigung mitgetheilt. Das Terrain ist so beschaffen, dass es, sobald man die Andeutungen der Quellen sorgsam beachtet, über den Verlauf des Kampfes keinen Zweifel lässt. Die Darstellung Moltke’s in seinem „Wanderbüchlein“ steht in zwei Punkten zu den Quellen im Widerspruch. Erstens ist es durch zahlreiche, zum Theil von einander ganz unabhängige Zeugnisse sicher beglaubigt, dass die Schlacht vor der Milvischen Brücke stattfand (Eumen. Paneg. IX, 17; Lact.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_316.jpg&oldid=- (Version vom 3.2.2023)