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von ihrem Herrscher geflissentlich genährt war, überkam bei dieser ungewohnten Ceremonie ein Grauen. Sie sahen darin eine magische Beschwörung, deren seltsam fremde Art eine ganz besondere Kraft ahnen liess. Noch versuchte Licinius dem ungleichen Kampfe auszuweichen; zwischen den beiden Heeren trafen sich die Kaiser zum Zwiegespräch, doch Maximin wies alle Anerbietungen zurück[1]. So war die Schlacht denn unvermeidlich; die Tuben gaben das Zeichen zum Angriff, und todesmuthig stürzten sich die Licinianer auf den Feind. Maximinus hielt noch vor der Front der Seinen und rief seine Lockungen und Versprechungen den andringenden Schaaren entgegen; aber keiner hörte auf ihn. Von tausend Schwertern bedroht, musste er hinter seine Schlachtreihe zurückweichen. Seine Soldaten, welche bis zum letzten Augenblicke gemeint hatten, die feindlichen Truppen würden kampflos zu ihnen übergehen, wurden durch deren wüthenden Ansturm höchlichst überrascht. Die abergläubische Furcht, mit welcher sie das Massengebet ihrer Gegner erfüllt hatte, wirkte mit, um ihnen völlig die Sinne zu verwirren. Nach kurzem und mattem Widerstande lösten sie sich in wilder Panik auf. Maximinus selbst warf den Purpur von sich und floh mit dem Mantel, welchen er einem Sklaven abgerissen hatte. Von seinem Heere ergab sich ein Theil dem Licinius; die Uebrigen wurden theils zerstreut, theils niedergemacht[2].

  1. Lact. de mort. pers. 46. Die Erzählung von dem Gebet wird jetzt fast allgemein für Fabel gehalten. Einen Bericht, der ganz kurze Zeit nach der Schlacht und nur wenige Meilen vom Schlachtfelde entfernt aufgezeichnet ist, hätte man nicht so leicht verwerfen dürfen. Wenn Lactanz dem Publicum von Nicomedia, welches über das Ereigniss auf’s Genaueste unterrichtet war, so unverschämte Lügen aufgetischt hätte, wie man annimmt, so wäre er nur zum Gespötte geworden. Ueberdies redet Licinius in dem Erlass, welchen er am 13. Juni 313 in Nicomedia verkündigen liess, selbst von der Hilfe des Christengottes, die er kurz vorher erprobt habe. Lact. 48: ut possit nobis summa divinitas, cuius religioni liberis mentibus obsequimur, solitum favorem suum benevolentiamque praestare. – hactenus fiet, ut – divinus iuxta nos favor, quem in tantis sumus rebus experti, per omne tempus prospere successibus nostris cum beatitudine publica perseveret. Denn dass dieses Gesetz von Licinius, nicht von Constantin herrührt, habe ich in der Zeitschr. f. Kirchengesch. XII, S. 381 bewiesen.
  2. Lact. de mort. pers. 47; Zos. II, 17, 3; Euseb. h. e. IX, 10, 2–4; vita Const. I, 58.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_334.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)