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Städten vom Hadrianswall bis zum Euphrat alljährlich verkündet; die Gesetze trugen beide Kaisernamen an der Spitze und ihr beschränkter Geltungskreis verrieth sich nur darin, dass sie im andern Reichstheil nicht publicirt wurden. Aber dass dies alles leere Formalitäten waren, wussten die Unterthanen ebenso gut wie die Herrscher selbst[1].

So wenig dieser Zustand den politischen Anschauungen Constantin’s auch entsprach, war er doch entschlossen, ihn einstweilen zu dulden. Licinius war ja ein alter Mann; für das Vermeiden eines Bürgerkrieges war es kein zu grosses Opfer, wenn die Herstellung der Reichseinheit bis zu seinem Tode verschoben blieb. Nicht einmal den Erben seines Gegners, der jung genug war, um gefügig zu sein, gedachte Constantin von der Thronfolge auszuschliessen. Am 1. März 317 ernannte er nach Uebereinkommen mit seinem Mitregenten seine Söhne, den etwa zwölfjährigen[2] Crispus und den neugeborenen Constantinus, zugleich mit dem vierjährigen Bastard des Licinius zu Cäsaren[3]. Diese Bestellung der künftigen Thronfolger hatte für ihn selbst gar keine Eile. Wollte er den Adoptivsohn seiner Schwester übergehen, so brauchte er mit der Regelung der Nachfolge nur bis zum Ableben seines Nebenbuhlers zu warten, der ja seinerseits nicht mehr die Macht besass, eine Beschleunigung zu erzwingen. Wenn er es also zuliess, ja vielleicht gar selbst anregte, dass der kleine Licinius den Truppen als ihr zukünftiger Kaiser gezeigt wurde, und ihm damit ein Prestige verlieh, das, wie er aus eigener Erfahrung wusste, keineswegs von geringer Bedeutung war, so kann dies nur ein Ausfluss seines guten Willens gewesen sein. Auch sonst vermied er jeden Conflict mit seinem Grenznachbarn und erhielt sorgfältig zwischen den beiden Reichstheilen, wenn auch nicht mehr die Einheit, so doch ein freundliches Verhältniss.

  1. In dem Panegyrikus des Nazarius und in den Lobgedichten des Porphyrius Optatianus werden nur Constantin und seine Söhne gepriesen, die Existenz des Licinius dagegen mit keinem Wort erwähnt. Damit vergleiche man, wie achtungsvoll Eumenius noch im Jahre 310 von den Mitregenten seines Herrschers redet. Paneg. VII, 1.
  2. Zeitschr. f. wissensch. Theologie XXXIII, S. 70.
  3. Anon. Vales 5, 19; Zos. II, 20, 2; Vict. Caes. 41, 5; epit. 41, 4; Hydat. fast. a. 317; Chron. Pasch. a. 317.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_346.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)