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Europa gesichert. Von dieser Basis aus konnte er furchtlos die Unterwerfung Asiens in Angriff nehmen.

Doch ein weiterer Kampf sollte nicht mehr erforderlich sein. Bald nach der Entscheidungsschlacht erschien Constantia im Lager ihres Bruders, um die Friedensbedingungen ihres besiegten Gatten zu überbringen[1]. Noch hoffte Licinius, der oft missbrauchten Nachgiebigkeit seines Gegners vertrauend, dass ihm die Mitregentschaft erhalten bleibe; doch diese Forderung wies Constantin ohne Weiteres zurück. Schnell rückte er auf Nicomedia vor und begann die Stadt, welche die Reste des geschlagenen Heeres barg, zu belagern[2]. Mit seiner entmuthigten Schaar, welche sich durch seine Auslieferung leicht die Gnade des Siegers gewinnen konnte und, bis auf’s Aeusserste getrieben, gewiss zu diesem Rettungsmittel gegriffen hätte, wagte Licinius keinen neuen Widerstand. Er verzichtete auf jede stolzere Hoffnung und suchte nur noch das nackte Leben zu retten. Wieder entsandte er Constantia, doch diesmal kam sie nicht als Vermittlerin, sondern als Gnadeflehende. Constantin konnte ohne Gefahr bedingungslose Uebergabe fordern; denn die eine Stadt, welche Licinius noch sein eigen nannte, hätte der gesammten Macht des Römerreiches unmöglich widerstehen können. Nur ob die Belagerung Wochen oder Monate dauern würde, konnte fraglich sein, und auch dieses kaum. Wenn also der Sieger den Bitten seiner Schwester Gehör gab und ihr das verwirkte Leben ihres Gatten schenkte, so geschah dies gewiss nicht aus Gründen einer hinterlistigen Politik, sondern einfach aus christlicher Milde und Barmherzigkeit. Licinius, dem diese That freier Gnade schier unbegreiflich war, wagte noch die Bitte, dass ihm seine persönliche Sicherheit durch einen Eid Constantin’s bekräftigt werde, und gern gewährte dieser seinem misstrauischen Sinne die Beruhigung[3]. Jetzt brachte Constantia das Purpurgewand des ehemaligen Kaisers als Zeichen seiner Abdankung in’s Lager[4], und bald folgte er selbst ohne die Insignien der Herrschergewalt[5]. Er wurde achtungsvoll empfangen, und um zum öffentlichen Ausdruck zu bringen, dass alles vergeben und vergessen sei und der Besiegte auch künftig

  1. Anon. Vales. 5, 28; Zon. XIII, 1.
  2. Zos. II, 28, 1; Praxag. bei Phot. bibl. 62.
  3. Anon. Vales. 5, 28; Zos. II, 28, 2; Eutrop. X, 6, 1.
  4. Vict. epit. 41, 7.
  5. Zonar. XIII, 1; Sozom. I, 7.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_356.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)