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zwar nicht mehr die Ehren des Kaisers, wohl aber die des kaiserlichen Verwandten geniessen solle, zog ihn Constantin an seine Tafel[1]. Dann wurde Licinius nach Thessalonica gesandt[2], einer Stadt, die nach ihrer damaligen Bedeutung mehr als Residenz, denn als Verbannungsort betrachtet werden musste. Auch Martinianus hatte Verzeihung empfangen; er erhielt seinen Wohnsitz in Kappadokien angewiesen[3].

Licinius konnte nicht lange Ruhe halten. Schon im nächsten Jahre (325) vernahm man[4], dass er mit den Donaubarbaren Verbindungen angeknüpft habe, um unter ihnen Söldner zu werben und mit deren Hilfe einen neuen Aufstand zu versuchen[5]. Den Soldaten Constantin’s war der Mann, welchen sie so oft bekämpft hatten und der, immer besiegt, ihnen immer auf’s Neue furchtbar geworden war, tief verhasst. Schon vor Nicomedia hatten sie seine Begnadigung mit stillem Ingrimm hingenommen; als jetzt das Gerücht von neuen Umtrieben zu ihnen drang, machte ihr Zorn sich in wilden Tumulten Luft. Sie waren fast alle Heiden; nach ihrer Moral war Rache Mannespflicht, und dass ihr Kaiser nach dem Gebote seiner Religion dem Feinde verzieh, erschien ihnen unnatürlich. Hatten sie sich vorher schweigend dem Befehl des Herrschers gebeugt, so forderten sie nun mit aufrührerischem Geschrei den Tod des unverbesserlichen Unruhstifters. Auch Constantin musste jetzt in dem entthronten Kaiser eine Gefahr für den Frieden des Reiches, in seiner unnützen Schonung eine gutherzige Thorheit erkennen, und seines Eides war er durch den erneuten Hochverrath des Begnadigten zweifellos entbunden[6]. Trotzdem war er zu gewissenhaft, um dessen Tod auf seine eigene Verantwortung zu nehmen, und setzte deshalb die höchste Behörde des Reiches, den Römischen Senat, zum Richter ein[7]. Wie

  1. Anon. Vales. 5, 28; vgl. Socr. I, 4.
  2. Zos. II, 28, 2; Eutrop. X, 6, 1; Vict. epit. 41, 7; Zon. XIII, 1; Anon. Vales. 5, 29; Socr. I, 4; Jord. Get. 21, 111; Sozom. I, 7.
  3. Anon. Vales. 5, 28; 29.
  4. Das Jahr bei Hydat. fast. a. 325.
  5. Socrat. I, 4; Zon. XIII, 1.
  6. V. Schultze, Zeitschr. f. Kirchengesch. VII, S. 539. Alle Schriftsteller, welche Constantin des Eidbruchs zeihen, gehen auf eine und dieselbe heidnische und deshalb parteiische Quelle zurück.
  7. Zonar. XIII, 1. Dieser hat hier den Bericht derselben Quelle vollständiger erhalten, welche im Anon. Vales. 5, 29 durch ein Einschiebsel aus Orosius verstümmelt ist. Vgl. Klebs, Das Valesische Bruchstück zur
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_357.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)