Seite:De DZfG 1892 07 417.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Cabinetsordre vom 14. Juli 1771 sich geradezu die Ausfertigung der Cabinetsbefehle vorbehaltlich ihrer nachträglichen Vorlage an den König persönlich übertragen liess. Diese und eine Reihe anderer ähnlicher Massregeln, ja selbst eine Reihe reiner Verwaltungsanordnungen, wie z. B. die Entlassung einiger verdienter Beamten, qualificirte das Urtheil als Hochverrath; der Verfasser aber erkennt zwar die Unhaltbarkeit des Spruches in diesem Punkte an, weil derselbe den König als geistig gesund behandle, während doch dessen Unterschrift Struensee decken musste, wenn er dies war, und er widerlegt sogar sehr richtig die Sophistereien, mittelst deren die Commission diese Folgerung zu umgehen suchte, – er meint jedoch, das Urtheil sei nur formal unhaltbar, dagegen materiell vollkommen gerechtfertigt, weil der König eben doch geisteskrank gewesen sei, wenn auch die Commission dies auszusprechen nicht wagte. In diesem Punkte vermag ich mich mit dem Verfasser nur theilweise einverstanden zu erklären. Die Geisteskrankheit des Königs lässt sich freilich nicht bestreiten, und zumal der vom Verfasser mitgetheilte Bericht Struensee’s selbst (S. 245–58) lässt über diese und ihre Gründe nicht den mindesten Zweifel; aber das Königsgesetz vom 14. November 1665, welches hier allein massgebend sein konnte, enthält keine Vorschriften für den Fall der Geisteskrankheit eines Königs, sondern nur für den Fall seiner Unmündigkeit oder seines Aufenthalts im Auslande unter bestimmten Umständen (art. 9 bis 14, dann 23). Mit Fug und Recht konnte da bezweifelt werden, ob die für die beiden letzteren Fälle gegebenen Vorschriften auch als für den Fall der Geisteskrankheit gültig zu betrachten seien, und doppelt zweifelhaft musste die Frage dadurch werden, dass jene Vorschriften für den letzteren Fall augenscheinlich weder ausreichten noch auch völlig passten. Für den Fall der Unmündigkeit des Königs sollte in erster Linie die schriftliche Verfügung des unmittelbaren Vorgängers auf dem Throne massgebend sein, eventuell aber, wenn nämlich eine solche nicht vorlag, ein Regent eintreten, welcher gemeinsam mit den sieben höchsten kgl. Räthen und Bediensteten die Regierung in der Art zu führen hatte, dass ihm gegenüber je einer Stimme dieser letzteren deren zwei zukamen; es sollte die Königin-Mutter Regentin werden, wenn sie des unmündigen Königs leibliche Mutter war, in Ermanglung ihrer aber der nächstverwandte Prinz des kgl. Hauses eintreten, der mündig und im Reiche anwesend war; der Regent aber sammt allen seinen Mitvormündern sollte sofort dem König vereidigt werden und alsbald ein Inventar über alle Besitzungen der Krone aufnehmen. Einerseits also fehlte es an jeder Norm darüber, wie etwa die angebliche Geisteskrankheit eines Königs zu constatiren sei, und doch war eine solche Constatirung um so nothwendiger, als

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_417.jpg&oldid=- (Version vom 16.2.2023)