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die geistige Krankheit König Christian’s VII. sich nur sehr langsam entwickelt hatte und diesem auf lange hinaus noch lichte Momente liess; andererseits liess sich wohl auch fragen, ob nicht für einen geisteskranken König in erster Linie ganz ebenso seine Königin als Regentin einzutreten habe, wie für den unmündigen dessen Mutter? Es begreift sich, dass bei diesem Zustand der Gesetzgebung Niemand wagte, den König für geisteskrank zu erklären. Nicht nur die Commission, welche über Struensee zu Gericht sass, behandelte ihn als geistig gesund, sondern auch die Palastrevolution, welche diesen am 17. Januar 1772 stürzte, wurde auf Grund von Cabinetsbefehlen durchgeführt, deren Unterschrift man dem König abgezwungen hatte, und selbst der Sturz des Guldberg’schen Regiments erfolgte noch am 14. April 1784 ganz in derselben Weise. Scheute man sich aber, den König als geisteskrank zu behandeln, so bestand auch keine Möglichkeit, eine Regentschaft im Sinne des Königsgesetzes für ihn zu bestellen. Wie konnte man einen Regenten einsetzen, ihn und seine Mitvormünder vereidigen und durch sie das vorgeschriebene Inventar aufnehmen lassen, wenn man den König selbst nach wie vor als geistig gesund und als regierenden Herrn behandeln zu müssen glaubte? Der Verfasser meint freilich, man hätte wenigstens „der Analogie“ jener Vorschriften folgen und sich „so nahe als möglich“ an sie halten sollen; aber damit betritt man einen Boden, dem jeder rechtliche Halt fehlt, und in der That ist denn auch, was der Verfasser meines Erachtens mit Unrecht leugnet, die Partei, welche Struensee stürzte, um nichts correcter verfahren als dieser. Dass der Staatsstreich vom 17. Januar 1772 lediglich auf Grund von Cabinetsbefehlen gelang, zu deren Ausstellung man den König gezwungen hatte, ist bereits bemerkt worden; es ist aber jetzt noch beizufügen, dass nach demselben ebenso wenig wie zuvor ein Regent eingesetzt und eine Mitregentschaft angeordnet wurde, wie dies das Königsgesetz für den Fall der Unmündigkeit des Königs vorschrieb, – dass ferner diesen Vorschriften auch in materieller Beziehung ganz und gar nicht nachgelebt wurde. Zwar wurde durch eine Verordnung vom 13. Februar 1772 ein geheimer Staatsrath gebildet, welcher aus dem Erbprinzen Friedrich und sieben höheren Staatsbeamten sich zusammensetzte, und ohne dessen Mitwirkung der Regel nach keine Anordnungen erlassen werden sollten; aber thatsächlich wurde die Regierung nicht von diesem geführt, sondern von der verwittweten Königin Juliane Marie und dem Cabinetssecretär Guldberg, welche im Grunde auch die Revolution gemacht und jene Verordnung erlassen hatten, wenn diese auch des Königs Unterschrift trug, und überdies wurde bald mit offener Missachtung dieser Verordnung wieder zu dem System einfacher Cabinetsbefehle

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_418.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)