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Aristoteles als Historiker.
Von
F. Cauer.


Ein Jahr ist nunmehr vergangen, seit in London aus einem Aegyptischen Papyrus die Schrift vom Staate der Athener ans Licht gezogen wurde, als deren Verfasser den Alten Aristoteles galt. Dieser überraschende Fund rief damals nicht allein unter den Philologen, nein, unter allen Gebildeten, soweit sie für das classische Alterthum Interesse haben, einen Freudensturm hervor. Der Englische Herausgeber und seine Deutschen Recensenten wetteiferten in Ausdrücken des Jubels über das unverhoffte Glück. Es hiess, dass der grosse Philosoph noch über Erwarten sich auch als ein hervorragender Historiker bewähre.

Die genauere Kenntniss des Londoner Fundes hat die herrschenden Ansichten von Aristoteles in wesentlich anderem Sinne beeinflusst, als der erste Eindruck. Mehr und mehr wird zugegeben, dass die anfangs laut gepriesene Schrift an schweren Mängeln leidet. Da aber andererseits die für die öffentliche Meinung massgebenden Autoritäten, wenigstens in Deutschland, mit Entschiedenheit an der Ansicht festhalten, dass wir ein Werk des Aristoteles vor uns haben, so ergibt sich die unvermeidliche Consequenz, dass man demselben Aristoteles, an dem man anfangs ungeahnte Vorzüge zu entdecken gemeint hatte, nun ohne Bedenken eine recht mangelhafte Leistung zutraut.

Diese Folgerung wird nicht entkräftet durch die Thatsache, dass man neben den minderwerthigen Partien auch vortreffliche findet. An und für sich wäre es ja recht wohl

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_001.jpg&oldid=- (Version vom 24.2.2023)