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Demokratie mit allen ihren Mängeln doch zu seiner Zeit die einzige Verfassung ist, die sich auf die Dauer halten kann[1]. Den Handwerkern, Krämern und Feldarbeitern, denen er in seinem Idealstaate das Bürgerrecht verweigern würde, ist er bereit, es unter Umständen einzuräumen[2]. Er weiss eben absolut Gutes und relativ Gutes zu unterscheiden[3]. Darum versteht er es, wo er die Argumentationen feindlicher Parteien erörtert, in jeder das Wahrheitsmoment zu entdecken[4].

Wenn Aristoteles abweichende Meinungen mit einander verglich, so konnte ihm nicht entgehen, dass oft mit demselben Namen verschiedene Sachen und umgekehrt mit verschiedenen Namen dieselbe Sache bezeichnet werde[5]. So verkennt er nicht, dass das Spartanische Königthum eigentlich nur den Namen eines Königthums trägt, da es nicht im Mittelpunkte, sondern in der Peripherie der Verfassung steht[6]. In wenigen Zügen macht er anschaulich, wie in anderen Staaten vom Königthume der heroischen Zeit schliesslich nur der Schatten übrig geblieben ist[7].

Da der Philosoph Namen und Sache unterscheidet, so erkennt er nicht jedes Gemeinwesen, das sich Staat nennt, als Staat an; denn ein spannelanges Schiff ist kein Schiff[8]. Und ebenso scharf wie Namen und Sache sondert er Ursachen und Anlässe; bei einer politischen Umwälzung hütet er sich, den zufälligen Anstoss, der den Stein ins Rollen bringt, mit den treibenden Kräften zu verwechseln[9].

War einmal das Nachdenken darauf gerichtet, den inneren Gehalt der Dinge von ihrer Aussenseite zu sondern, so konnte dem scharfen Beobachter nicht entgehen, dass das Staatsleben sich in Wirklichkeit leicht anders darstellt, als in den Gesetzen, und jedenfalls nicht in einer mechanischen Anwendung feststehender Normen aufgeht[10]. Er sieht, dass die Gesetze oft anders wirken, als es in der Absicht des Gesetzgebers lag[11]. Daher scheint ihm die Einheit des Staates durch die Gemeinschaft derselben Gesetze

  1. III, 1287 a 21; 22.
  2. VII, 1328 b 36 ff.
  3. IV, 1296 b 10.
  4. III, 1283 a 27 ff.
  5. III, 1297 b 24.
  6. III, 1286 a 3.
  7. III, 1285 a.
  8. III, 1325 b 40.
  9. V, 1303 b 18.
  10. IV, 1292 b 15 ff.
  11. II, 1269 a 30; 1274 a 12.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_017.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2022)