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naturalistischen und sociologischen Culturgeschichte bezeichnet hat[1]. In der Geschichtsliteratur des christlichen Mittelalters findet sich wohl Niemand, der ihn in der methodischen Zergliederung des Völkerlebens und seiner Grundlagen erreicht oder übertroffen hätte. Aber weit merkwürdiger als alle Wirkungen des astrologischen Systems auf Muhammedanische Geister bleibt eben immer die Thatsache, dass seiner Anziehungskraft auch unzweifelhaft kirchlich gesinnte Abendländer erlegen sind, obwohl es doch in seinen letzten Consequenzen deutlich genug auf eine Ablösung der unmittelbaren und unumschränkten göttlichen Weltregierung durch Naturkräfte hinzielte.

Scharf genug hatte die christliche Kirche der ersten Jahrhunderte über die Astrologie ihr Verdammungsurtheil ausgesprochen, wobei sie sich mit dem Mosaischen Gesetz und dem Römischen Recht in voller Uebereinstimmung befand. Bei Hippolytus wird geradezu die Ketzerei auf Griechische Philosophie, Mysterien und Astrologie zurückgeführt, und in der That spielen ja astrologische Vorstellungen bei den Samaritern und bei verschiedenen Gnostischen Secten einen höchst bedeutsame Rolle[2]. Entrüstung und Spott athmen die meisten Auslassungen der Kirchenväter gegen jene vermessenen Thoren, die das Schicksal des Menschen aus den Constellationen herausrechnen wollen und sich wohl gar auf den Stern berufen, dessen Licht die Magier nach Bethlehem gewiesen hatte. Mit bitterer Reue blickt Augustinus auf seine jugendliche Vorliebe für eine Kunst zurück, deren Erfindung man gern den gefallenen Engeln zuschrieb[3].

  1. Vgl. F. Wüstenfeld in den Abhandlungen der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften XXIX (1882), 26 ff.; F. de Rougemont, Les deux Cités I (Paris 1874), 415; A. v. Kremer, Ibn Chaldûn und seine Culturgeschichte der Islamischen Reiche (Sitzungsberichte der Wiener Akademie, phil.-hist. Classe XCIII, 1879, p. 581 ff); seine scharfe Polemik gegen die Astrologie, die er als religions- und staatsfeindlich, sowie als unwissenschaftlich brandmarkt, in den Notices et extraits XIX. 1, 231 ff.; XXI. 1, 240 ff. Allerdings bemerkt über seine guten Grundsätze der Geschichtschreibung Wüstenfeld: „Schade, dass er sie selbst nicht befolgt hat“.
  2. Vgl. A. Hilgenfeld, Die Ketzergeschichte des Urchristenthums (Leipzig 1884), p. 18; 63; 151 f.; 265; 314; 507; 521.
  3. Vgl. Origenes, Contra Celsum lib. V. (Migne, Patrol. graeca XI, 586 f.); Commentar. in Genesim cap. I, 14 (ebd. XII, 51 ff.); Contra haeres. lib. IV. (ebd. XVI, 3055 ff.); Tertullianus, Apol. adv. gent. cap. 35; De idololatria
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_033.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)