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doch jedenfalls dieser Name wie die Zusammenstellung zur Genüge einen Standpunkt, der durch gelegentlich eingestreute fromme Redensarten vielleicht für manchen Leser verschleiert werden konnte, nicht aber für die scharfen Augen der Inquisition. In der That entging er nur dadurch, dass er vor Beendigung seines Processes (1316) starb, dem Feuertod, welchen sein minder glücklicher Zeitgenosse Cecco d’Ascoli ein Jahrzehnt später (1327) erleiden musste. Cecco war schon in Bologna, wo er die Astrologie lehrte, mit der Inquisition in Berührung gekommen und konnte somit in Florenz, da er von seiner ihm untersagten Kunst nicht liess, nur als rückfällig behandelt, d. h. zum Tode verurtheilt werden. Was bei ihm wie bei dem Paduaner von dem Hereinspielen persönlicher Feindschaften berichtet wird, ändert, auch wenn es richtig sein sollte, nichts an der Thatsache, dass beide wirklich entschlossene Vertreter Averroistischer Anschauungen gewesen sind. Nach dem Wortlaut des Urtheils hätte Cecco das Thema vom Horoskop Christi bis in alle Einzelheiten durchgeführt: weil bei Christi Geburt die Waage im 10. Grad der Ascendenz stand, musste er den Tod am Kreuze sterben, wegen des Steinbocks wurde er in einem Stall geboren, wegen des Scorpions im 2. Grad verfiel er der Armuth, und weil Mercur in den Zwillingen in seinem eigenen Haus stand, besass er eine tiefe, in Gleichnissen verborgene Weisheit[1]. Cecco war seiner Zeit in scharfen literarischen Gegensatz zu Dante getreten, dem er seltsamer Weise die Rolle der Fortuna in der göttlichen Komödie zum Vorwurf macht. Nun zahlte freilich auch der grösste Italiener jener Zeit der herrschenden Vorliebe für astrologische Vorstellungen seinen Tribut, und die Fortuna, die ihm Vergil als unwiderstehliche Beherrscherin des äusseren Menschenschicksals zeichnet, wird den sphärenbewegenden Gestirngeistern oder Engeln an die Seite gesetzt. Aber wie diese Vorstellung der Planetenbewegung eine von der kirchlichen Wissenschaft angenommene war, so entspricht auch sonst die Rolle der Planeten und der Astrologie bei Dante völlig der correct kirchlichen Auffassung. Einerseits weist er dem „grossen Commentator“

  1. Vgl. Tiraboschi X, 110 ff.; E. Frizzi im Propugnatore X, 1 (Bol. 1877), 468 ff.; P. Scheffer-Boichorst, Aus Dante’s Verbannung (Strassburg 1882), p. 60 ff.; Lea III, 441 ff.; 655 ff.; Döllinger, Beiträge zur Sektengesch. II (München 1890), 585 ff.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_049.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)