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trat in den beiderseitigen Verhandlungen eine lange Pause ein. Erst Anfang September, als die Europäische Lage sich ein wenig geklärt hatte, suchte man von Kopenhagen aus, wo man inzwischen vergebens auf das Eintreffen des von Katharina angekündigten Russischen Contraprojects gewartet, die Bündnissfrage von Neuem in Fluss zu bringen, indem König Christian in einer eigenhändigen Erwiderung auf das kaiserliche Handschreiben vom 31. März seine Forderungen in der Holsteinischen Angelegenheit erheblich einschränkte und nochmals die Nothwendigkeit eines gemeinschaftlichen Vorgehens in Schweden eindringlich hervorhob[1]. Wie klug berechnet dieser entgegenkommende Schritt des Dänischen Königs gewesen war, zeigte sich schon binnen kurzem. Denn Anfang December traf endlich der langersehnte Russische Gegenentwurf ein, welcher sich in den auf Schweden bezüglichen Punkten fast wörtlich an das Dänische Allianzproject anlehnte, so dass er sofort von Bernstorff und dessen Collegen en bloc acceptirt, und der neue Allianzvertrag schon am 13. December unterzeichnet wurde.

Die Bestimmungen dieses Vertrages bezüglich Schwedens sind wohl geeignet, unsere Aufmerksamkeit zu erregen, da die aggressiven Tendenzen hier viel schärfer und unverhüllter als in dem wenige Wochen zuvor abgeschlossenen Russisch-Preussischen Bündniss zu Tage treten. Zwar heisst es auch in dem Russisch-Dänischen Tractat, man wolle alle in dem Vertrage von 1765 genannten friedlichen Mittel zur Anwendung bringen. Aber damit steht in geringem Einklang, wenn die beiden Contrahenten im Hinblick auf den casus foederis, d. h. einen Angriff Schwedens oder einen vollständigen bezw. theilweisen Umsturz der Regierungsform von 1720[2], sich gleichzeitig verpflichteten, auf alle Fälle „von jetzt an“ (dès à présent) eine Landarmee von je 20 000 Mann und eine entsprechende Anzahl von Kriegsschiffen in steter Bereitschaft zu halten, und wenn die Kaiserin Katharina dem Dänischen Könige bei einem Kriege mit Schweden den ungestörten Besitz aller etwaigen Norwegischen Eroberungen,

  1. Christian an Katharina, 2. September. Corr. minist. II, 416–18.
  2. Wörtlich: „– – – le bouleversement de la Constitution de 1720 en tout ou même dans une seule de ses parties, en tant que l’altération faite à cette partie tendrait à restreindre le pouvoir des Etats et à étendre les prérogatives du pouvoir souverain – – –“.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_103.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)