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Krisis hervorgegangen. Das Scheitern des Bukarester Congresses, die kraftvolle Haltung und unerschütterliche Festigkeit des jugendlichen Schwedischen Monarchen, die energische Unterstützung Schwedens durch den Versailler Hof, die Abneigung Englands gegen einen Krieg im Norden, die kühle, leidenschaftslose Politik Preussens, welche in den ersten Wochen nach dem Stockholmer Staatsstreiche die erregte Stimmung der Petersburger Hofkreise geschickt zu beschwichtigen wusste, – alle diese Momente trugen mehr oder weniger zu dem unerwartet glücklichen Ausgange bei. Anfangs hatte es den Anschein, als sei die Nordische Frage endgültig zu Schwedens Gunsten entschieden worden. Siegreich hatte es seine Unabhängigkeit gegen alle Anfechtungen von Osten und von Westen gewahrt, mit Glück und Entschiedenheit die Occupations- und Interventionsgelüste der neidischen Nachbarn zurückgewiesen. „Aber“ – so bemerkt zutreffend ein neuerer Historiker – „die Wurzeln des Uebels lagen zu tief, um durch die eine kühne That vom 19. August 1772 dauernd ausgerodet werden zu können“[1]. Bald brachen die alten Wunden wieder auf, bald erhob die Opposition im Innern des Landes von neuem kräftig ihr Haupt, und als man endlich den alten Krebsschaden bemerkte, der an dem Herzen Schwedens frass und dessen Kräfte untergrub, war es zur Rettung schon allzu spät, war die Nordische Frage aus dem Stadium der chronischen Krankheit bereits in das der unheilbaren acuten Krisis getreten. Der Verlauf der Krisis ist bekannt: Finland, durch Gustav III. dem Schwedischen Vaterlande ruhmreich erhalten, ging unter seinem Sohne und Nachfolger Gustav IV. Adolf ruhmlos für immer verloren.

Nur eine der grossen Errungenschaften des Jahres 1772, die Regierungsform vom 21. August, hat den Wechsel der Zeiten siegreich überdauert. Einstmals, wie wir wissen, ein Stein des Anstosses für den Petersburger Hof und nur mit Mühe gegen dessen Machinationen und Intriguen vertheidigt, bildet jene Regierungsform noch heute einen wichtigen Bestandtheil des Finländischen Grundgesetzes und erhält in uns das Andenken an den kühnen Staatsstreich Gustav’s III. bis auf den heutigen Tag frisch und lebendig.



  1. Danielson, Die Nordische Frage in den Jahren 1746–51 (Helsingfors, 1888) S. 447.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_143.jpg&oldid=- (Version vom 10.3.2023)