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Gegen die zweite Ansicht, dass A gleich nach der Abfassung kassiert und durch B ersetzt worden sei[1], macht Lindner geltend, dass ein so jäher Umschwung unerklärbar sei. Man wird ihm darin Recht geben müssen, dass so wohlerwogene Aenderungen und Fortbildungen, wie sie in B sich zeigen, nicht das Werk einiger Tage sein können. Zwischen beiden Ausfertigungen müssen doch Ereignisse liegen, die diese Aenderungen bedingten.

Ferner weist er auf die Thatsache hin, dass ein mit allen Siegeln und sogar mit dem Registraturvermerk versehenes Exemplar von A sich erhalten hat. Wäre die erste Fassung noch auf dem Binger Tage kassirt worden, so hätte man sicher auch dieses Kölner Original, da es ja zur Hand war, vernichtet. Der Registraturvermerk beweist jedoch, dass es noch nach dem Binger Tage in der Kölner Kanzlei als gültige Urkunde behandelt wurde. Dass aber, wie man einwenden könnte, der Erzbischof von Köln sein Exemplar sogleich heimgesandt habe, ist nicht gut denkbar. Wenn man sieht, mit welchen Vorsichtsmassregeln im Jahre 1399 die fast gleichlautenden Bopparder Urkunden vor unberufenen Augen geschützt wurden[2], so darf man wohl annehmen, dass auch 1424 die Kurfürsten ihre Ausfertigungen sorgsam bei sich verwahrten und nicht der Gefahr einer Versendung aussetzten. Zu alledem kommt noch ein von Lindner entdecktes äusseres Merkmal. Der Kölner Erzbischof hat nämlich an die beiden Bundesbriefe verschiedene Siegel gehängt, an A sein kleineres Secret, mit dem er auch zwei andere dem Binger Tage angehörende Urkunden beglaubigte, an B das grössere, welches sich nicht an anderen Urkunden dieses Tages findet, das er also wahrscheinlich zu Bingen gar nicht bei sich führte.

Die Zusammenfassung der angeführten Gründe wird zur Rechtfertigung der Annahme genügen, dass B nicht dem Kurfürstentage zu Bingen im Januar 1424 trotzdem es dessen Datum trägt, seinen Ursprung verdankt, sondern auf einen spätern Zeitpunkt zu setzen ist. Aber auf welchen? Lindner glaubt mit Bestimmtheit den Frankfurter Reichstag im April – besser im Mai – 1427 als Abfassungszeit bezeichnen zu können. Nach

  1. Diese Ansicht wird besonders von Wendt, a. a. O. S. 125 ff., vertreten. Auch Erich Brandenburg, König Sigmund und Kurfürst Friedrich von Brandenburg, S. 172, Note 1, hält sie für die wahrscheinlichste.
  2. RTA III, Quellenbeschreibung zu Nr. 41 u. 51.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_211.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2023)