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man sieht, stellt er sich schon mit diesem Titel in schroffen Widerspruch zu den bisher üblichen Bezeichnungen Byzantinisches, Griechisches, Gräko-Romanisches Reich. Er will diese nur für die Zeit nach 800 gelten lassen. Erst seit der Erwerbung der Kaiserkrone durch Karl den Grossen existirten factisch zwei Römische Reiche, bis dahin seien sie ungetheilt und eins geblieben, der Fall Westroms 476 sei nur ein Act von untergeordneter Bedeutung gewesen. Den in der Vorrede unternommenen Versuch, dieses Axiom zu beweisen, halte ich für verfehlt. Ausführlicher gegen den Verfasser zu polemisiren, muss ich mir leider hier versagen. Hervorgehoben sei nur noch, dass die (übrigens meist aus zweiter Hand geschöpfte) Erzählung des Schicksals der westlichen Provinzen überflüssig sein dürfte und gerade recht deutlich zeigt, wie vergeblich das Bemühen des Verfassers ist, seine Theorie aufrecht zu erhalten. Wenn es sodann an und für sich zu loben ist, dass der Verfasser auch die Culturgeschichte berücksichtigt hat – gar nicht übel ist z. B. das von seiner Frau geschriebene Capitel über die Byzantinische Kunst –, so erlaube ich mir doch darauf aufmerksam zu machen, dass die Culturgeschichte noch nicht genug in Connex mit der politischen gesetzt ist, dass auch wichtige Partien leichthin behandelt sind, z. B. das Gesetzgebungswerk des Justinian, die grossen Verwaltungsreorganisationen unter Justian I. und unter Leo III., der Bilderstreit u. s. w., dass andrerseits wieder manchen culturhistorischen Erscheinungen ein zu grosser Einfluss auf den Gang der Geschichte zugeschrieben wird, z. B. dem Neuplatonismus, und dass endlich einzelne Partien, wenn auch zum Theil vortrefflich erzählt, doch mit zu viel Behagen im Detail ausgefuhrt werden, z. B. die Kriege mit den Persern und Lazen unter Justinian, die mit den Avaren unter Mauritius, der Empfang des Priscus bei Attila u. s. w. Die einschlägige Literatur in ihren Haupterscheinungen kennt Bury und er benutzt sie mit freiem, nicht sklavischem Blick. Seine Kritik ist eine massvolle, manchmal etwas unentschiedene, z. B. in der Slavenfrage. Er weiss neue Fragen anzuregen, z. B. die Frage nach dem Einfluss der Slaven auf das Byzantinische Landsystem. Die Darstellung ist geschmackvoll und gedrängt. Das Werk im Grossen und Ganzen bedeutet also insofern eine Förderung der Wissenschaft,

    nimmt B. an, dass die Hunnen 447 bis nach den Thermopylen gekommen seien. Das ist ein Irrthum, den er mit fast allen Historikern theilt. Das Thermopolis des Marcellinus sind nicht die Thermopylen, sondern es ist ein nördlich von Constantinopel an der Meerenge gelegener kleinerer Ort. Ich glaube das in einer Besprechung des Güldenpenning’schen Buches über die Geschichte des Ostr. Reiches unter Arcadius und Theodosius II. unwiderleglich nachgewiesen zu haben. Berl. Phil. Wschr. 1887, 589 ff.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_330.jpg&oldid=- (Version vom 6.3.2023)