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Stoffe gemeinsam hatten, die er, ohne viel ändern zu müssen, einfach herüber nehmen konnte[1]. Der Verfasser des libellus erweist sich aber auch deutlich als guten römisch-katholischen Christen. Lässt er doch die Helena nach Rom kommen, um die Stätten zu sehen, an denen die rechtgläubigen Apostel und Begründer des katholischen Glaubens gelebt und die sie mit ihrem Blute geheiligt und zum Haupte der Christenheit gemacht haben. Der unbekannte Verfasser war ferner jedenfalls ein Binnenländer; sonst liesse er die beiden Ausgesetzten nicht Meerwasser als erquickendes Getränk geniessen.

Das Latein des unbekannten Verfassers ist mit zahlreichen Gräcismen und Romanismen durchsetzt. Diese Gräcismen hat man durch Benutzung einer Griechischen Quelle erklärt, auch, wie ich höre, im Vatican nach einer solchen gesucht, jedoch ohne Erfolg. Die Hoffnung, es werde sich eine Griechische Quelle der Novelle entdecken lassen, scheint nicht ohne Berechtigung zu sein. Finden wir doch in den späten Griechischen Quellen unverkennbare Spuren davon, dass die Jugendgeschichte Constantin’s des Grossen auch in Byzantinischer Zeit und Literatur legendenartig ausgeschmückt wurde[2]. Dennoch darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die zahlreichen Gräcismen im Latein des Verfassers an sich kein zwingender Grund dafür sind, dass derselbe ein Griechisches Original benutzt habe. Denn diese Gräcismen finden sich auch in der Vulgata, deren ausgedehnte Benutzung seitens meines Unbekannten ausser Zweifel steht.

Anders steht es mit dem Ueberfluss an Romanismen, welcher seinem Latein eigenthümlich ist, mögen wir hier nun mehr an das Altfranzösische oder mehr an das Altitalienische denken. Wir werden aus diesen Romanismen den Schluss ziehen, dass

  1. Gustav Landgraf, Die Vulgata als sprachliches Vorbild des Constantinromanes. Progr. der kgl. Studienanstalt Speier 1881. S. 68 ff.
  2. Codex Vaticanus Graecus 1667 saec. XII (ungedruckt); das Eusignius-Martyrium (vgl. Petrus Lambecius, Commentarii de Augusta Bibliotheca Caesarea Vindobonensi vol. VIII, S. 100 ff. und Coen, Di una leggenda S. 58 ff.); Nikephoros Kallistos, Hist. eccles. VII, cap. 18 bei Migne t. 145, 1244; Photius Bibl. cod. 256; Suidas II, 382 ed. Bernhardy. Dagegen ergab auch die Benutzung der Universitätsbibliothek in Athen keinen Anhalt, dass sich Spuren dieser Ueberlieferungen im Neugriechischen erhalten hätten. So beliebt auch der Name Constantin in der Neugriechischen Volksdichtung ist, so hat doch dieser Name nichts mit dem Kaiser gemein.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_013.jpg&oldid=- (Version vom 18.3.2023)