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sie wohnen alle zusammen in Guido’s Hause. Dann sieht die Kaiserstochter einen schönen Palast in der Nähe, lässt den Besitzer holen und verlangt den Palast auf Borg. Dorthin ladet sie 300 Personen zu einem grossen Gelage ein, während dessen sie es dahin bringt, dass ihr der Besitzer den Palast für 2000 Goldgulden ablässt. Dann gibt sie ein noch prächtigeres Mittagsessen, zu welchem sie 500 Personen einladet. Am Ende desselben ersucht sie ihre Gäste, ihr eine Audienz beim Kaiser zu verschaffen. Die Tischgenossen verfügen sich zum kaiserlichen Palaste und einige dringen bis zum Kaiser und sagen ihm, dass eine reiche, vornehme fremde Dame ihn zu sprechen wünsche. Der Kaiser gewährt sofort die erbetene Audienz. Und es waren ungefähr drei Monate, dass der Sohn des Kaisers verstorben war, so dass der Kaiser grossen Schmerz empfand, weil er keine Söhne hatte. Die junge Frau erzählt dem Kaiser alles, was sich begeben hatte, und bittet ihn, Manfred als Sohn und sie als Schwiegertochter anzunehmen oder sie nach Constantinopel zurückzuschicken. Der Kaiser wählt das Erstere; die Kaufleute werden enthauptet, Manfred als Sohn adoptirt. Und es geschah, dass nach dem Tode des Kaisers Antonius Manfred, der Sohn Guidos, des Saucenhändlers, 35 Jahre Kaiser war und immer bei gutem Glücke.

Ausser dieser Manfred-Novelle ist bis jetzt keine andere Composition bekannt geworden, welche ausschliesslich die Erzählung derjenigen Ereignisse enthielte, die den zweiten Theil der Constantinlegende bilden, d. h. die Piratengeschichte der betrügerischen Kaufleute ohne die Berichte von der Geburt des Constantin, von der Trennung und späteren Wiedervereinigung zwischen Vater und Sohn. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass deren einige in Manuscripten der Italienischen Bibliotheken enthalten sind, vielleicht auch solche, die den Anschein grösseren Alters haben. Wer es weiss, in welchem Zustand die Kataloge dieser Bibliotheken sich befinden, der wird es begreifen, wie schwer es ist, nach solchen Manuscripten zu suchen. Ob eine solche Schrift noch irgendwo existirt, das wird früher oder später der Zufall entdecken lassen, wie man es ja auch dem Zufall verdankt, dass die Manfred-Novelle dem Zambrini unter die Augen kam, der sie hauptsächlich zu dem Zwecke linguistischer Studien veröffentlichte.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_019.jpg&oldid=- (Version vom 18.3.2023)