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Tagen der Nürnberger Reichsversammlung gehörten seine Gedanken und seine Thätigkeit nicht mehr der Ungarischen Sache allein. Mächtig fühlte er sich auf den westlichen Schauplatz gezogen. Dort standen ihm neue unerwartete Verwickelungen mit dem König von Frankreich bevor, welche ihn mit dem Verlust Anna’s von der Bretagne auch um den Besitz ihres Landes zu bringen drohten. Sein ganzes Denken ging seitdem darauf hinaus, seine von Karl VIII. in Rennes eng umschlossene Gemahlin zu befreien und mit ihr die Bretagne zu retten. Ein Theil der in Nürnberg bewilligten Hilfe war bereits für den Kampf gegen den Französischen König bestimmt. Am liebsten hätte sich Maximilian selbst auf den Französischen Schauplatz begeben und seinem Vater die Beendigung der Ungarischen Thronfolgefrage allein überlassen. Aber dieser bestand, in seiner Abneigung gegen Maximilian’s westliche Händel, unentwegt auf der Forderung, die Ungarische Frage zu einem Abschluss zu führen, bevor Maximilian sich gegen den König von Frankreich wende[1].

So blieb ihm denn kein anderer Ausweg offen als der, sich einer gewaltsamen Durchführung der Habsburgischen Ansprüche auf Ungarn zu begeben und sich mit Wladyslaw auf gütlichem Wege zu einigen. Maximilian’s greiser und nach Frieden verlangender Vater hatte diesen Gedanken schon lange ins Auge gefasst. Ihm gelang es, die letzten Bedenken des Sohnes gegen ein Nachgeben zu beseitigen und zugleich Wladyslaw dahin zu bestimmen, dass er zum Zweck eines Friedensschlusses seine Gesandten nach Pressburg schickte. Noch gegen Ende des Monats August nahmen die Verhandlungen dort ihren Anfang und kamen am 7. November zum Abschluss durch einen Vertrag, welcher den Habsburgern für den Fall, dass Wladyslaw kinderlos bleibe, oder nach dem Aussterben seiner männlichen Nachkommenschaft die Thronfolge in Ungarn zusicherte[2].

Mit diesem Abkommen vollzog sich eine völlige Wandlung in der ganzen östlichen Politik Maximilian’s. Während er einerseits die kriegerischen Pläne gegen die Könige von Polen und Böhmen aufgab und zu ihnen, besonders zu Wladyslaw, in ein

  1. Ebenda I, 58.
  2. Firnhaber, Beiträge zur Geschichte Ungarns unter der Regierung Wladyslaw’s II. und Ludwig's II. 1490–1526. (Archiv für Oesterreichische Geschichte 1849. III, 466 ff.)
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_278.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2023)