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glaubte, wenn er von der scharfen Betonung der Forderungen, die er grundsätzlich stellen musste, unter Umständen in Erwartung gelegenerer Zeiten vorläufig abging.

II. Die Erhebung Airard’s auf den bischöflichen Stuhl von Nantes. Eine durch ihre nächsten Folgen sehr bemerkenswerthe Massregel Leo’s IX. auf dem Reimser Concile im October 1049 war die Entsetzung des damaligen Bischofs von Nantes, Pudicus, von seinem Amte[1], denn sein Nachfolger auf dem bischöflichen Stuhle wurde ein Mann, der, den Grundsätzen der Reform treu ergeben, auf jenem vorgeschobenen Posten in der Bretagne für die Ausbreitung der Reformideen und damit des päpstlichen Einflusses in Frankreich von grosser Bedeutung hätte werden können[2]: das war Airard, bis dahin Abt des Klosters St. Paul in Rom und Cardinal. An die Erhebung Airard’s knüpft sich nun eine Frage, die in neuester Zeit von Imbart de la Tour und von mir entgegengesetzt beantwortet worden ist, es ist das die Frage: wann und durch wen ist Airard zum Bischof erhoben worden? Ich glaube nachgewiesen zu haben[3], dass Airard nicht, wie man das bisher angenommen hatte, gleich nach der Absetzung des Pudicus, also noch im Jahre 1049, Bischof von Nantes geworden ist, sondern erst über ein halbes Jahr später, und glaube ferner die bisherige Annahme, dass Airard von Leo IX. zum Bischof ernannt worden ist, meines Wissens zuerst genau aus den Quellen begründet zu haben[4]. Eine von der meinigen grundsätzlich abweichende Darstellung hat nun aber neuerdings Imbart de la Tour gegeben[5], indem er über die Erhebung Airard’s folgendes bemerkt: „Cette promotion [d’Airard] faite en synode[6] est conforme aux règles canoniques qui autorisaient l’élection par les évêques en cas d’indignité du corps électoral et peut-être le pape s’est-il borné à confirmer le choix du concile. Ce n’est pas là, véritablement, une nomination faite directement par la papauté.“

Worauf aber gründet sich nun diese Darstellung? Jedenfalls nicht – wenigstens nicht in ihrem wesentlichen Theile – auf die

  1. Siehe hierüber Bröcking, Die Französische Politik Papst Leo’s IX. (Stuttg. 1891) p. 22 f.
  2. Wieso das nicht geschehen ist, darüber s. Bröcking a. a. O. p. 65 ff.
  3. Siehe a. a. O. p. 53 f.
  4. Siehe a. a. O. p. 54 f.
  5. Les élections episcopales dans l’église de France du 9. au 11. siècle. (Paris 1891) p. 419. Das Werk ist ungefähr gleichzeitig mit meiner Arbeit erschienen, weder Imbart de la Tour hat daher meine Darstellung, noch habe ich die seinige berücksichtigen können.
  6. Gemeint ist das Reimser Concil, 3.–5. Oct. 1049.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_292.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2023)