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auf das von beiden Adressaten, dem Reichsfürsten und dem Cardinallegaten, seitens der Curie zu Erwartende.

Es war ein von Vertrauten wohl beobachteter Zug Leo’s X., dass er trotz einer an sich milden Natur ins Gegentheil umschlug, wenn er durch erneute Uebertretungen solcher, denen eben verziehen war, gereizt wurde[1]. Von eigentlicher Vergebung ist in unserm Fall nun nicht die Rede; immerhin muss ein gewisses Schwanken zwischen schärferer und milderer Auffassung, nach dem oben ausgeführten, angenommen werden, dem der Natur des Pontifex entsprechend durch vermeintliche Halsstarrigkeit Luther’s[2], durch wiederholte ketzerische Publicationen ein jähes Ende bereitet wurde.

Evers ist nicht verlegen gewesen, die Ursache dieser Aufwallung, zu der Leo’s Seele sich hingerissen sah, zu erkennen. Nichts anderes habe Schuld getragen, als die schriftstellerische „Agitation“ Luther’s zu Ungunsten des vom Papst gerade beim Deutschen Reichstag erstrebten Beschlusses eines Türkenkriegs. Und wenn Leo nachher die hitzig ergriffene Massregel rasch wieder habe fallen lassen, so sei das veranlasst durch seine Abneigung, sich der Hilfe Maximilian’s zur Unterdrückung Luther’s zu bedienen, um sich dem Kaiser nicht etwa hinsichtlich der Wahl seines Enkels Karl von Spanien verpflichten zu müssen[3]. Zum Beweis seiner Grundbehauptung hat Evers aus dem gleichen Brevenband, in dem das Schreiben an Friedrich von Sachsen steht, zwei an sich recht interessante Breven an die Legaten in Deutschland vom 22. und 23. August 1518 abdrucken lassen. In diesen wird zur äussersten Anstrengung unter den widerhaarigen Reichsständen angespornt und vom Papst jeder Schatten von Eigennutz oder Ehrgeiz bei seinem kriegerischen Vorhaben abgewehrt[4]. Aber der Versuch, aus diesen Actenstücken irgend einen Bezug auf eine agitatorische Thätigkeit Luther’s nach jener Seite

  1. P. Jovii vita Leonis lib. IV. (vit. illustr. virorum, Basel 1567) Tom. II, 186.
  2. „Benignitate nostra abusus et audacior effectus“ im Breve kann ja Phrase sein, kann aber jedenfalls auch wie im Text verstanden werden.
  3. Evers, Luther II, 104; 124; 154. Das Letzte mit Bezug auf Raynald. an. eccles. XX S. 275, § 163: Ita disturbata tunc fuit Caroli electio nec Pontifex Maximiliani opera ad Lutherum opprimendum usus est.
  4. Evers II, 447 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_007.jpg&oldid=- (Version vom 24.6.2023)