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hin herauszufinden, muss als ein ganz halsbrechendes Unternehmen bezeichnet werden. Davon kann um so weniger die Rede sein, als Luther bis dahin hinsichtlich des Türkenzugs höchstens mit ganz gelegentlichen Anspielungen sich hervorgewagt hatte[1].

Wenn es erforderlich ist, den Punkt zu suchen, an welchem Luther’s deutsche und ausserdeutsche Gegner den Hebel angesetzt haben mögen, um den unsicher schwankenden Papst aufzuhetzen und zu einschneidenden Massregeln fortzureissen, so wird man wohl an innerkirchliche Machtfragen denken müssen. Anfang Juli hatte Luther seine (erst später gedruckte) Predigt über die Excommunication gehalten. Bald waren aber von fremder Hand in Thesenform daraus zusammengestellte Sätze in Umlauf gebracht worden, deren einschneidende Anschauungen über das Verhältniss von Heil und Kirche dem kühnen Prediger, nach seiner wie Spalatin’s Ansicht, mancher Orten, besonders auch auf dem Augsburger Reichstag, viele Widersacher erweckt hatten[2]. Man muss annehmen, dass jene Sätze von dort nach Rom befördert sind[3], wo sie, zusammentreffend mit anderen Hetzereien, sehr wohl als Mittel des dominikanischen Verfolgungseifers wirksam gemacht sein können. Da war in der That die ganze Stellung der Kirche, wie sie bisher aufgefasst war, ins Wanken gebracht. Aber wenn obige Vermuthung auch nicht zuträfe, so lag auch sonst hinlängliches Material vor, Luther mit neuer Schuld belastet erscheinen zu lassen, um nicht zu der Annahme seiner zur schleunigen Repression herausfordernden „Agitation“ gegen den Türkenzug greifen zu müssen. Beiläufig passt

  1. So in den Lateinischen Resolutionen zu seinen Ablassthesen, conclusio V (Löscher II, 191, vgl. Köstlin I, 380). Walther, Luther’s Beruf (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte Nr. 31) S. 113, hat sich durch Evers gewinnen lassen, obwohl die päpstliche Anklage doch ausdrücklich gerichtet ist gegen nonnullos ex illo Germaniae conventu (Evers 449).
  2. Luther’s Briefwechsel von Enders 1, 212; 224; 232. Kawerau hat neuerdings (Zeitschrift f. Kirchengeschichte IX, 477) Sätze veröffentlicht, die er mit jenen Thesen identificirt. Doch ist, wie er die Freundlichkeit hatte mir brieflich mitzutheilen, die Erörterung darüber noch nicht abgeschlossen.
  3. Der Brief Maximilian’s an Leo vom 5. August, dessen Einfluss auf die Wendung kaum in Abrede gestellt werden darf (wie ich mich mehr und mehr überzeuge), beruft sich unter anderen: auf Luther’s Ansichten vom päpstlichen Bann. Hinsichtlich jenes Briefs siehe meinen Maximilian I, Bd. 2, 728.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_008.jpg&oldid=- (Version vom 24.6.2023)