Seite:De DZfG 1893 10 018.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Eine richtige klare Anschauung dieser Periode erscheint sogar bedingt von einer sorgfältigen systematischen Kritik des Vitensers. Es handelt sich hier, wie fast immer in solchen Dingen, zunächst um die Beantwortung folgender drei grundlegenden Fragen: 1. Konnte Victor gemäss seiner Informationen die volle geschichtliche Wahrheit berichten? 2. Wollte er die volle Wahrheit mittheilen? und 3. War er in Anbetracht seiner Stimmung, seiner ganzen Stellung zu den Vandalen, den erbitterten Feinden seiner Glaubensbrüder, in der Lage, die ganze ungeschminkte Wahrheit zu erzählen?

Die erste Frage ist unbedingt zu bejahen, indess mit der Bemerkung, dass Victor über die Zeiten Hunerich’s weit besser unterrichtet ist, als über Geiserich’s Religionspolitik. Seine Orientirung über den Hunerich-Sturm ist eine ganz vorzügliche. Erscheint er doch selbst als Augenzeuge vieler Gräuelscenen; so kennt er z. B. viele der auf Befehl des Königs grausam ihres Haares und der Kopfhaut beraubten Katholiken persönlich[1], er begleitet die zahlreichen, zu Anfang der Hunerich-Verfolgung nach der Wüste verbannten Bekenner[2]. Wo er selbst nicht als Augenzeuge berichten kann, da beruft er sich wenigstens auf zuverlässige Gewährsmänner[3].

Schildert somit unser Autor die Zeiten Hunerich’s so recht als classischer Zeuge, so recht aus den Ereignissen heraus – war er doch selbst in die Glaubensnoth seiner Brüder verwickelt –, so erscheint er über die Geiserich-Verfolgung weit weniger unterrichtet. Hier schildert er nicht als unmittelbarer oder doch mittelbarer Augen- und Ohrenzeuge, hier erscheint er nicht als unmittelbar an den Ereignissen betheiligt, hier vor Allem bietet er keine amtlichen Actenstücke. Ferner: Der Geiserich-Verfolgung widmet Victor nur das erste Buch seines Werkes, während die übrigen Bücher – nach der Ruinart’schen Edition vier,

    2. u. 3. zwei vortreffliche, wahrhaft kritische Editionen, recens. C. Halm, Berolini 1878 in Mon. Germ. Hist. auct. ant. Tom. III, 1; recens. M. Petschenig, Vindobonae 1881 in Corp. Script. Eccles. Lat. vol. VII. Deutsche Uebersetzungen von M. Zink, Bamberg 1883 (Gymnas.-Progr.) u. A. Mally. Wien 1884.

  1. II c. 4 ed. Ruinart; II c. 9, ed. Halm, ed. Petschenig.
  2. II cc. 8. 9 ed. Ruinart; II c. 26–30, ed. Halm, ed. Petschenig.
  3. Vgl. z. B. V c. 7 ed. Ruinart; III c. 32 (Uranius, der Gesandte des Kaisers Zeno), ed. Halm, ed. Petschenig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_018.jpg&oldid=- (Version vom 5.4.2023)