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noch ist uns ein solcher Rechtssatz aus dem Reichsrecht bekannt. Und hätte es selbst einen solchen Rechtssatz gegeben, so könnte auf Grund dessen ein Reichsfürst eben nur zur Herausgabe seines zweiten Herzogthums verurtheilt, und erst wenn er Ungehorsam dagegen zeigte, könnte ihm ein peinlicher Process gemacht werden, der mit Aechtung endigte. Das Verfahren gegen Heinrich ist aber umgekehrt gewesen: erst wurde er geächtet; mit der Aechtung war der Verlust sämmtlicher Reichslehen von Rechtswegen verbunden, und die nachträgliche Aberkennung der Herzogthümer hat nur den Werth einer gerichtlichen Constatirung der Thatsache[1].

Es bleibt also nur die Annahme übrig, dass die Aechtung auf Grund einer ganz allgemeinen Pflichtwidrigkeit erfolgt sei, welche mit all’ diesen Dingen nichts zu thun hat. Die einzige Pflicht, welche Heinrich gegen Konrad überhaupt vernachlässigen konnte, war die Pflicht der Huldigung. Nehmen wir nun an, dass Heinrich wirklich nicht gehuldigt hat, sei es, dass er es nicht wollte, sei es, dass Konrad ihm vielleicht absichtlich die Möglichkeit nahm[2], sei es, dass die Huldigung vielleicht gerade desswegen unterblieb, weil Heinrich sie für beide Herzogthümer leisten, Konrad sie aber nicht anders annehmen wollte, als für eines: in allen diesen Fällen lag doch unterlassene Huldigung rechtlich erst dann vor, nachdem eine angemessene Frist verstrichen war. Welches diese Frist war, ist uns zwar nur aus Gesetzen über Italien überliefert. Allein da hier die allgemeine deutschrechtliche Frist von Jahr und Tag genannt wird[3], so ist es natürlich anzunehmen, dass dies die allgemeine Frist im Reiche war. Konrad hat seine Regierung am 7. März 1138 angetreten. Er hat die Aechtung Mitte Juli desselben Jahres ausgesprochen, d. h. noch nicht 4 ½ Monat nach seinem Regierungsantritt.

Ferner kann auf Grund der blossen Thatsache der unterlassenen Huldigung noch nicht die Aechtung ausgesprochen, sondern

    qui dicitur Cruceburg. Bello itaque per inducias protracto, dux rediit in Saxoniam et post non multos dies mortuus est. Obtinuitque filius eius Heinricus Leo ducatum Saxonie, puer adhuc infantulus.“)

  1. Bernhardi S. 5514.
  2. Dahin könnte die Plötzlichkeit seines Aufbruchs von Augsburg gedeutet werden.
  3. Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6 S. 554.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_078.jpg&oldid=- (Version vom 8.4.2023)