Seite:De DZfG 1893 10 111.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

gefährliche Ziel erreicht,“ aus Besorgniss vor der Zukunft unschlüssig geworden sei; ebenso ist es auch nicht gerade einleuchtend, dass Rudolf, wie Grund[1] vermuthet, desshalb gezaudert, die Krone anzunehmen, weil sie ihm weniger werth geworden, als er die Hoffnung aufgeben musste, sie in seinem Geschlechte erblich zu machen. Vielmehr dürfte an ein nicht ernst gemeintes Sträuben bei Annahme der Wahl zu denken sein. Gerade vom Tage von Forchheim wird berichtet, dass ein päpstlicher Legat denjenigen Wählern, welche ihre Stimmabgabe von Versprechungen des Königs zu ihrem persönlichen Vortheil abhängig machen wollten, mit Erfolg die Mahnung entgegenhielt, die Wahl nicht zu einer simonistischen zu machen[2]. So wurde hier die Königswahl ganz wie die Wahl geistlicher Würdenträger behandelt. Dementsprechend wird auch Rudolf, um seine kirchliche Gesinnung zu bethätigen, das ihm bekannte Ceremoniell der mittelalterlichen Geistlichkeit nachgeahmt haben, eine angebotene Rangerhöhung erst nach vorheriger Weigerung anzunehmen.

Carl Koehne.     


Geheime Correspondenz Katharina’s II. mit ihrer Mutter im Jahre 1754. Nachstehende, im Jahr 1870 zu meiner Kenntniss gelangte, Schriftstücke habe ich, trotz ihrer Bedeutung, nicht veröffentlichen mögen, so lange sie Gefahr liefen, als zweideutige Curiosa missbraucht zu werden. Mit dem ersten Bande von Bilbassov’s Katharina II. hat sich das geändert. Die an sich schon einleuchtende Echtheit der Memoiren der Kaiserin ist nunmehr auch in wesentlichen Einzelheiten ausser Frage gestellt und, was die Nächstbetheiligte so unumwunden, wie nur je aus Frauenmund, als ein Erlebtes zu schildern sich nicht hat versagen mögen, das wird von der Geschichte, die keine Verschleierung duldet und sich auf die Dauer nichts vorenthalten lässt, was Geschehenes besser begreifen lehrt, nach vorausgegangener Prüfung, mit fester Hand in ihre Annalen einzutragen sein. Diese Prüfung steht bevor und, ihr entziehen, was hier nachfolgt, hiesse, ein Zeugniss unterschlagen, das nicht ersetzt werden kann. Denn, wie weit auch Champeaux, Bréteuil, Rulhière, Castéra u. A. übereinstimmen: was sie bezeugen, ist nicht unbestritten geblieben und ist nicht unangreifbar. Sie überliefern, was sich hier und da – ob auch mitunter aus erstem Munde, aber selbst dann nicht unverfälscht – hat vernehmen lassen und, je weiter übertragen, nach dem Loos aller Erzählung, um so weiter entstellt. Selbst das Zeugniss der Kaiserin ist in diesem Sinne nicht einwandsfrei; überdies

  1. Die Wahl Rudolf’s zum Gegenkönige (1870) S. 79.
  2. Bruno c. 91.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_111.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2023)