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wohl auch nur noch der einzige Weg, um ein derartiges Werk zu schaffen. Es wird selbst einem Gelehrten von umfassenden Kenntnissen nicht möglich sein, die gesammten Erscheinungen der wissenschaftlichen Literatur vollkommen genug zu beherrschen, um überall etwas Abschliessendes bieten zu können. Ist aber der Verfasser ein Mann von lebhafter Vorstellungskraft, so kann er sich leicht zu phantastischen Schilderungen hinreissen lassen, wie solche sich leider in Michelet’s Geschichtswerk finden, das im Ganzen genommen doch noch die beste Französische Geschichte ist, die wir haben.

Ueber die Auffassung des mittelalterlichen Staatensystems hat F. Lot mit A. Leroux in der RH eine interessante Polemik gehabt, auf die wir mit einigen Worten eingehen müssen. Leroux hat in einem bemerkenswerthen Aufsatz über das Französische Königthum und das Heilige Römische Reich[1] einen raschen Ueberblick über die politischen Ideen des Mittelalters gegeben und dabei zu zeigen versucht, wie das Capetingische Königthum nach dem Sturze der Staufer sich bemühte, die Idee des Heiligen Reiches für seine Zwecke auszubeuten. Lot[2] hat nun einige Behauptungen Leroux’ einer ziemlich herben Kritik unterzogen und vor allem die von jenem vorgebrachte Thatsache bestritten, dass das Kaiserthum während des ganzen Mittelalters ein Germanisches Gepräge gehabt habe. Auf diese Einwürfe ist dann von Leroux noch eine Replik erschienen[3]. Die Lectüre der Acten dieses Streites hinterlässt den Eindruck, als ob die beiden Gegner allzu systematisirend und bisweilen allzu bestimmt in ihren Behauptungen gewesen wären.

2. Rechts- und Verfassungsgeschichte. Luchaire’s Handbuch der Französ. Rechts- und Verfassungsgeschichte[4] ist ein sehr brauchbares Werk, wenn auch nicht alle Capitel von gleichem Werthe sind, ein Fehler, der bei einem solchen Stoff unvermeidlich ist. Der Verfasser ist im allgemeinen gut orientirt und hat es verstanden, unter den verschiedenen von seinen Vorgängern aufgestellten Systemen eine richtige Wahl zu treffen. In der Darstellung der königlichen Verwaltung und einigen anderen Materien stützt sich die Arbeit auf die eigenen Forschungen des Herausgebers. Im ganzen genommen ist es also ein empfehlenswerthes Buch. – Breiter angelegt, aber nicht so geschlossen und genau, ist Band IV der Französischen Rechts- und Verfassungsgeschichte von Glasson[5]. Der Band

  1. Vgl. Bibliogr. ’93, 97 b.
  2. RH 50, 147–51.
  3. RH 50, 408–14.
  4. Vgl. Bibliogr. ’93, 300.
  5. Vgl. Bibliogr. ’92, 208.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_132.jpg&oldid=- (Version vom 15.4.2023)