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bietet eine tiefgehende Schilderung des Lehenswesens, wobei dem Verfasser die Kenntniss der meisten gedruckten und handschriftlichen Quellen zu gute kommt. Glasson ist der erste, der diesen Gegenstand in seinem ganzen Umfang zusammenhängend behandelt hat. Zu tadeln ist die Weitschweifigkeit der Darstellung und die unklare Ausdrucksweise, welche die Arbeit wenig anziehend erscheinen lassen. Auf alle Fälle liegt ein bemerkenswerther Versuch vor und der erste Schritt zu einer synthetischen Behandlung des Stoffes, an die sich noch keiner ernstlich herangewagt hat.

Marcel Fournier’s Geschichte der Rechtswissenschaft in Frankreich, von der kürzlich zunächst der 3. Band ausgegeben wurde[1], zieht die Ergebnisse aus desselben Autors Edition der Universitätsstatuten. Auch in dem neuen Bande finden wir die Vorzüge und Schwächen des Verfassers wieder. Umfassendes Wissen und Kenntniss der mannigfachsten Einzelheiten mit Flüchtigkeit und einer gewissen Hast in der Darstellung, die der Stil nur zu deutlich verräth; manche Capitel sind fast nur recht und schlecht zusammengestellte Notizen. Doch bietet das Buch auf alle Fälle viel des Neuen, und wenn sich der Verfasser einmal dazu entschliessen wollte, seine Arbeiten etwas mehr auszufeilen, würde er ein Werk von hervorragendem und bleibendem Werthe für die Geschichte der Rechtswissenschaft schaffen können.

Ganz anders bietet sich die Arbeit von Guilhiermoz dar, die unter dem Titel Enquêtes et procès bei Picard erschienen ist[2]. Sie ist die Frucht langjährigen Studiums und reiflicher Ueberlegung. Die Schrift gibt ein ganz neues, flott entworfenes Bild der Thätigkeit des Pariser obersten Gerichtshofes im 14. Jahrhundert. Eingehend behandelt der Verfasser die beliebteste Form der damaligen Rechtspflege, den Inquisitionsprocess, veröffentlicht mehrere Handbücher für das gerichtliche Verfahren aus jener Zeit, die von Inquisitionscommissaren verfasst sind, und legt sie unter Zuhilfenahme von Processacten aus. Die feine Arbeit, in der keiner Schwierigkeit ausgewichen ist, zeichnet sich durch eine angenehme Diction aus und ist so anziehend geschrieben, als es bei einem solchen Stoffe nur möglich ist. Es ist, kurz gesagt, ein Werk ersten Ranges. – Droit de marché nennt man ein heute noch in einem Theile des nördlichen Frankreichs

  1. M. Fournier, Hist. de la science du droit en France III. Vgl. Bibliogr. ’92, 1732 den Spec.-Titel des Bandes.
  2. P. Guilhiermoz, Enquêtes et procès; étude sur la procédure et le fonctionnement du parlement au 14. siècle etc. Paris, Picard. 4°. xxxij 646 p. 20 fr.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_133.jpg&oldid=- (Version vom 15.4.2023)