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3. Karolingische Zeit. Wer sich über die Beziehungen zwischen dem päpstlichen Stuhle und den Fränkischen Königen während dieser Epoche genauer informiren will, wird mit Vortheil das ausführliche, auf juristischer und historischer Grundlage ruhende Werk Weyl’s[1] benutzen. Dasselbe bietet eine gediegene Forschung über die kirchliche Gesetzgebung in ihrem Verhältniss zum öffentlichen Recht.

Dümmler’s Aufsatz im Neuen Archiv zur Lebensgeschichte Alcuin’s[2] ist aus Vorarbeiten für die Ausgabe der Briefe in den Monum. Germ. erwachsen; andere Alcuinstudien hat der Verfasser in den Abhandlungen der Berliner Akademie vorangehen lassen[3]. – Ueber einen anderen Mitarbeiter Karl’s des Grossen bei seinem grossartigen Unternehmen der Wiederbelebung der Wissenschaften in Europa, den Bischof Theodulf von Orléans, handelt ein unlängst erschienenes Buch Ch. Cuissart’s[4]. Was wir über den Mann wissen, ist ausreichend verwerthet, ausserdem eine interessante Untersuchung über die bischöfliche Verwaltung im 8. und 9. Jahrhundert gegeben.

Fustel’s de Coulanges nachgelassenes Buch über die Umbildung des Königthums unter den Karolingern[5] ist ein nach Anlage und Form der Darstellung bewunderungswürdiges Werk. Seit Montesquieu und Guizot hat in Frankreich kein Historiker so glänzend geschrieben. Die Auffassung des Verfassers ist zwar nicht durchweg neu, im allgemeinen jedoch zutreffend; für die Einzelheiten aber wird man mancherlei Vorbehalt zu machen haben. Fustel war Systematiker und geneigt, die seiner a priori gefassten Meinung widersprechenden Quellen unbewusst zu vernachlässigen, auf die ihm günstigen aber zu viel Werth zu legen. Desshalb sind seine Werke auch für weniger geschulte Geister besonders gefährlich. Vermögen sie schon wissenschaftlich gereifte Männer zu beeinflussen, um wie viel mehr können sie dann erst Neulinge irre führen. – Keary’s Arbeit über die Wikinger in der abendländischen Christenheit[6] bietet ein sonderbares Gemisch von Wahrem und Falschem. Wer sich mit Französischer Geschichte befasst, wird sie jedoch benutzen müssen, allerdings mit Vorsicht, denn der Autor fasst diese Einfälle der Nordländer zu sehr als einen Kampf des Heidenthums gegen das Christenthum auf, während die Frage viel einfacher liegt. – Zum Schlusse

  1. Vgl. Bibliogr. ’93, 217.
  2. Vgl. Bibliogr. ’93, 223 a.
  3. Vgl. Bibliogr. ’91, 2146 und DZG VII, 352.
  4. C. Cuissart, Théodulfe, évêque d’Orléans: sa vie et ses oeuvres. Orléans, Herluison. 355 p. 7 fr. 50.
  5. Vgl. Bibliogr. ’92, 205.
  6. Vgl. DZG VI, 157 und Bibliogr. ’91, 1435 u. ’92, 202 d.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_140.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2023)