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Die Anleite kann sich der thatsächlichen oder der blos symbolischen Besitzeinweisung bedienen[1]. In ein streitiges Haus kann z. B. der Kläger als Besitzer „eingeführt“, oder es kann ihm als Zeichen der Einführung der Schlüssel übergeben werden. In dieser Frage hatte das Gericht oder der von ihm bestellte Anleiter freie Hand.

In der Thätigkeit des Anleiters treffen wir Friedrich selbst. Als Heinrich der Löwe im Juni 1154 den Goslarer Beschluss erstritt, war alles bereits in Vorbereitung zur Romfahrt, die im Herbst beginnen sollte. Im September 1155 kehrte der Kaiser zurück und beraumte auf Mitte October den Termin zur Ertheilung der Anleite in die Baierische Hauptstadt Regensburg an. Die kurze Zwischenzeit benutzte er zu Unterhandlungen. Die Ausführung des Anleitebeschlusses ist an sich ein Zwangsact, zu welcher es Verhandlungen mit dem Beklagten nicht bedarf. Bei der Weite des Spielraums aber ist Platz für solche Unterhandlungen. Hier setzt Friedrich ein. Gegenstand seiner persönlichen Unterredung mit dem Babenberger in der Gegend von Regensburg ist die nothwendig gewordene Anleite und die dazu erforderliche Verhandlung mit Heinrich dem Löwen (transactio facienda cum altero Heinrico, qui iam ducatum obtinuerat). Wozu Friedrich den Verklagten „überreden“ will, wird nicht gesagt. Denkt man an den Ausgang, den ein paar Jahre später die Angelegenheit in Wirklichkeit genommen hat[2], so liegt die Annahme am nächsten, Friedrich habe den Babenberger dafür gewinnen wollen, die Anleite ganz überflüssig zu machen und an deren Stelle sofort ein definitives Verhältniss gegenseitiger Concessionen treten zu lassen. Wie dem auch sei, es gelang nicht, den Babenberger für irgend eine Theilnahme an den bevorstehenden Verhandlungen zu gewinnen, weder in dieser persönlichen Unterredung noch in einer commissarischen Verhandlung an der Baierisch-Böhmischen Grenze, in welcher Otto von Freising das Amt des Vermittlers übernahm. Der Gegenstand der Berathung war wieder die Anleite und die dazu nöthigen Verhandlungen mit Heinrich dem Löwen (super eodem negotio).

  1. Franklin, Reichshofgericht, S. 292.
  2. Hieran zu denken wird man auch durch die Ausdrucksweise Otto’s veranlasst: Cui dum ille tunc non acquiesceret.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_286.jpg&oldid=- (Version vom 10.4.2023)