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schafft er eine so umfassende Coalition, dass seine Wahl ohne Weiteres von statten geht. Nicht darin lag der diplomatische Erfolg Friedrich Barbarossa’s, dass er Welfen und Hohenstaufen miteinander versöhnte (die Elemente zu dieser Koalition fand vielmehr der gemeinschaftliche Verwandte beider Häuser schon vor, als die Thronfolgefrage auftauchte), sondern darin, dass es ihm gelang, zu dieser Gruppe auch noch die Sächsischen Gegner des Welfen herüberzuziehen. Ein Vermächtniss Konrad’s III. hat nicht bloss nicht in der Geschichte, sondern auch nicht einmal in der älteren Tradition eine Rolle gespielt.

Der an der Spitze einer grossen, umfassenden Fürstencoalition auf den Thron gelangte junge König führt den am Hofgericht schwebenden Process gegen das Oberhaupt der gegnerischen Gruppe, gegen Heinrich Jasomirgott, mit einer geradezu musterhaften juristischen Correctheit und mit dem ganzen Masse von Langmuth, das der ältere Deutsche Rechtsgang erforderte. Heinrich den Löwen und seine Sächsischen Gegner söhnt er als gemeinsamer Vertrauensmann aus.

Giesebrecht hat das erste Capitel seiner einschlägigen Darstellung überschrieben: „Friedrich’s I. mühselige Anfänge“. Die trübe Beleuchtung dieser Anfänge ist im Wesentlichen bedingt durch die blutigen Unterbrechungen von Friedrich’s Eingreifen in den Streit zwischen Heinrich und Albrecht, sowie durch die Ziellosigkeit der ersten Unterhandlungen in dem Process um Baiern. Beide Punkte verschwinden und mit ihnen das Bild, das man sich nach Giesebrecht von dem ersten Auftreten Friedrich’s machen musste. An dessen Stelle tritt das Bild jenes Friedrich, wie ihn Geschichte und Tradition kennen: die Gestalt eines Diplomaten von zielbewusster und gewinnender Liebenswürdigkeit, eines kundigen und geschickten Richters, der auf die peinlichste Wahrung der Rechtsformen das grösste Gewicht legt, um das so erworbene Vertrauen im rechten Augenblick dazu zu benutzen, eine autoritative Entscheidung durch einen nicht minder autoritativen Schiedsspruch entbehrlich zu machen. Friedrich selbst hat sich mit Stolz den „Friedreichen“, den Friedestifter genannt.



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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_322.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2023)