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fähig war, liess sich ohne Beschränkung der königlichen Macht, auf dem Wege der Gesetzgebung verbessern, wie das Edict über das städtische Gemeinwesen und mehrere kurz vor der Ständeversammlung publicirte deutlich genug bewiesen. Die Constitution wurde theils aus politischen Gründen, die ich hier nicht zu erörtern habe, theils aus wohlwollender Condescendenz gegen den Zeitgeist, und seine wahren oder eingebildeten, in Baiern wie allenthalben lebhaft aufgeregten Wünsche und Bedürfnisse beschlossen. Von den politischen Gründen war der König niemandem Rechenschaft schuldig; die anderen musste das Volk in unbedingter Dankbarkeit verehren, als ein Uebermass königlicher Huld, die selbst Ansprüche von zweifelhaftem Werthe, die selbst ein unruhiges und ungeregeltes Streben, da das öffentliche Wohl den Vorwand dazu lieh, mit zuvorkommender Grossmuth behandeln wollte. Dies war das wahre Verhältniss des Königs zu einer von ihm geschaffenen Ständeversammlung, und dies der Text, der mit Muth und Geschicklichkeit bearbeitet, allen Missdeutungen vorgebeugt hätte. Man hielt für besser, den König so sprechen zu lassen, als wäre seine ganze bisherige Regierung nur eine Vorbereitung auf diesen Augenblick gewesen; als liesse sich seine frühere Verwaltung entschuldigen allenfalls, aber nicht rechtfertigen; als finge das eigentliche Baiern nun erst an, oder träte wenigstens aus der Asche des Alten ein neues, wundervoll verjüngtes, hervor. – Der Minister des Innern bediente sich sogar am Schluss eines Vortrags, der die Nothwendigkeit so weitgreifender Umwälzungen wahrlich nicht dargethan hatte, der auffallenden Worte: „S. M. der König haben durch die Constitution die Form des Staates geändert, und die Verwaltung habe bereits angefangen, in allen Abstufungen der neuen Richtung zu folgen“. – So hatten wenigstens der König, so hatten seine treuesten und einsichtsvollsten Räthe die Sache ursprünglich nicht gemeint; und in jedem Falle war es weder nothwendig noch rathsam, sich über einen so kritischen Punkt mit dieser officiellen Bestimmtheit zu äussern.

5. Dass die vorstehenden Bemerkungen nicht aus der Luft gegriffen sind, ergibt sich unverkennbar aus der in der Deputirtenkammer beschlossenen Adresse an den König und aus der Sprache, die bei dieser Gelegenheit geführt wurde. Was die Eröffnungsrede nur angedeutet hatte, ward hier mit unerwarteter Kühnheit, und ohne, dass irgend ein Widerspruch laut geworden wäre, commentirt, ergänzt, erweitert, in ein vollständiges, abgerundetes System von königlicher Demokratie verarbeitet, so dass nun kein Zweifel mehr blieb, dass die Form des Staates wirklich geändert war. Kein erfahrener Staatsmann wird sich durch ein paar nothgedrungene Höflichkeitsformeln,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_336.jpg&oldid=- (Version vom 4.5.2023)