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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17

der Regel nach darauf zurückführt, dass ein Kriegerstamm sich eines schon zu reinem Ackerbau vorgeschrittenen Landstriches bemächtigte, in dem nun die unterworfene Bevölkerung wirthschaftlich dieselbe Function übernahm, die anderswo den Sklaven zufiel, aber rechtlich in eine andere Lage kam, weil sie als Gesammtheit unterworfen wurde, mit dem eroberten Boden schon wirthschaftlich in Beziehung stand und eine organisirte wirthschaftliche Macht darstellte. Doch war die Hörigkeit in den Staaten, die zu grösserer Entwicklung gelangten, damals nur eine vorübergehende Institution. Da die herrschende Kriegerkaste nicht mehr zur beständigen Vertheidigung des eroberten Landes ausreichte, musste die unterworfene Bevölkerung zum Kriegsdienste herangezogen werden; sie verschmolz nun selbst mit dem Herrenstande, während an ihre bisherige Stelle zur Leistung der ökonomischen Arbeit wiederum Sklaven traten.

Eine deutlichere Vorstellung von der Lage solcher Höriger, der Hektemoren, gewinnen wir durch die neu aufgefundene Schrift des Aristoteles über das Staatswesen der Athener. Im vorsolonischen Attika, so berichtet Aristoteles, war das Land im Besitze Weniger; die Menge aber bebaute es gegen eine Abgabe von einem Sechstel der Früchte und leistete mit Weib und Kind den Besitzern Frohndienst; war der Bauer überschuldet, so wurde er als Sklave in die Fremde verkauft. Ganz anders kurze Zeit später; Attika ist mit einem freien Bauernstande besetzt, der sich politische Rechte erkämpft, freilich aber auch wehrpflichtig ist. Es hat eine Grundablösung stattgefunden. Ganz ähnliche Verhältnisse finden wir in älterer Zeit in allen Staaten, welche, namentlich von den Doriern, auf erobertem Lande begründet wurden, und vielfach, z. B. in Lakedaemon, in Kreta, haben sie sich auch bis zum Untergange der Selbständigkeit Griechenlands erhalten; in anderen Theilen Griechenlands dagegen führten die Revolutionen, welche die politische Ausgleichung der Stände zur Folge hatten, wie in Athen, zur Emancipation des Bauernstandes, so dass man füglich die Frage aufwerfen kann, ob nicht die Kämpfe, die von den später lebenden Historikern und Philosophen als Kampf der Demokratie gegen die Aristokratie schematisirt wurden, in ihren Ursachen und Erfolgen Kämpfe um die wirthschaftliche Emancipation waren.

Wenn der Uebergang der bisherigen Arbeiter aus dem

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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17. Mohr, Freiburg i. Br. 1894, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_003.jpg&oldid=- (Version vom 4.5.2023)