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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17

Nährstand in den Wehrstand dazu zwang, neue Arbeiter, d. h. neue Sklaven, in’s Land zu bringen, so waren andererseits die Nachbarfehden innerhalb Griechenlands in Folge der Städtebünde und der geregelteren rechtlichen Beziehungen der Griechischen Städte zu einander seltener geworden, und namentlich seitdem die Griechen sich zu gemeinsamer Abwehr des nicht-Griechischen Auslandes zusammenthun mussten, musste die Zahl Griechischer Sklaven in Griechenland abnehmen, während die Kriege gegen die „Barbaren“ auch „barbarische“, stamm- und sprachfremde Sklaven als Beute nach Griechenland brachten. Mochte schon dieser Umstand für die Sklaven von Bedeutung sein, so war für ihre Stellung noch wichtiger der wirtschaftliche Umschwung, der sich zwischen dem Homerischen Zeitalter und dem 5. Jahrhundert vor Chr. in Folge der gesteigerten Dichtigkeit der Bevölkerung, des grösseren und rechtlich gesicherten Verkehres zwischen den Griechischen Staaten vollzog. Wurde in früherer Zeit im wesentlichen im Hause und für das Haus producirt, war in Folge dessen die Arbeitstheilung wenig ausgebildet, so producirte man später in Griechenland grossentheils für den städtischen oder auch für den überseeischen Markt und an die Stelle des Hausbetriebes trat vielfach die landwirthschaftliche oder gewerbliche Unternehmung. Schaaren von Sklaven arbeiteten jetzt in den gewerblichen Centren nicht mehr für den unmittelbaren Bedarf ihres Herrn, sondern als lebendiges Kapital für sein Geschäft.

Den thatsächlichen Verhältnissen entsprach die Theorie. Wenn Aristoteles meint, die Sklaverei könne erst dann aus der Gesellschaft verschwinden, wenn das Weberschiffchen sich von selbst bewegen werde, so ist dies nicht anders zu verstehen, als wenn die Komödiendichter die Legende vom goldenen Zeitalter verspotten, in welchem das „Tischlein-deck-dich“ an Stelle der Sklaven treten sollte. Aristoteles versucht aber auch die Sklaverei durch die Naturnothwendigkeit zu rechtfertigen, dass der Stärkere über den Schwächeren herrsche. Es ist dies ein Schluss, der genau den auch heute oft wiederholten Theorien zur Rechtfertigung der Classenunterschiede entspricht und denselben psychologischen Motiven entspringt, während doch gerade an diesem Beispiele klar wird, dass die Form der als nothwendig geforderten Unterwerfung jedenfalls eine in der Geschichte wechselnde ist, ganz abgesehen davon, dass die Vertheidiger des jeweils bestehenden

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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17. Mohr, Freiburg i. Br. 1894, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_004.jpg&oldid=- (Version vom 4.5.2023)