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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17

dem Feinde gegenüber löbliche Sitte war. Die Grausamkeiten, die uns von Attila oder von Indianischen Häuptlingen berichtet werden, nehmen wir ohne Zaudern als historische Wahrheit hin, während wir gewöhnt sind, ähnliche Dinge aus den ältesten Zeiten des classischen Alterthums „aus inneren Gründen“ wegzukritisiren; es wäre ein Unrecht, in allen Fragen der Humanität das älteste und das späteste Alterthum auf eine Stufe zu stellen: ebenso wie wir es nicht dulden würden, wenn man unsere „humanen“ Anschauungen mit denen Chlodwigs und der Brunhilde auf eine Stufe stellen wollte. Und ferner dürfen wir auch an das späteste Alterthum nicht mit dem Massstabe unserer modernen Anschauungen herantreten. Welch’ irriges Bild der Zustände unseres Jahrhunderts würde entstehen, wenn ein Zukunftshistoriker die Berichte über die Lage der Belgischen Bergwerksarbeiter oder über die Wohnungsverhältnisse in manchen Fabrikstädten als von seinem Standpunkte aus undenkbar ausschalten würde!

Man muss es betonen, dass im grossen Ganzen nur das ökonomische Interesse des Herrn für die Behandlung des Sklaven in Betracht kam. Wenn nirgend anderswo, so musste doch hier – wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf – das eherne Lohngesetz in seiner ganzen Strenge wirksam sein, so dass der Herr dem Sklaven nur das zukommen liess, was er für die Erhaltung seiner Arbeitskraft für durchaus nöthig erachtete. Aus Cato’s Schrift über den Ackerbau, die freilich nicht mehr in die ganz „gute alte Zeit“ fällt, aber doch noch vor der völligen Aenderung der wirthschaftlichen Verhältnisse geschrieben ist, können wir die Naturalleistungen entnehmen, die der Herr für den Unterhalt des Ackerbausklaven in der Regel aufwendete, das, was bei freier Arbeit dem Lohne entspricht[1].

Danach war das jährliche Budget eines Sklaven etwa das folgende:

     1. Nahrung: Getreide: ca. 51 modii = nicht ganz 4 ½ Hektoliter [Marktpreis etwa 200 Sesterzen].


  1. ἀμίσθων γὰρ οὐχ οἷόν τε ἄρχειν, δούλῳ δὲ μισθὸς τροφή heisst es in den pseudo-aristotelischen Οἰκονομικά I. 5.
Empfohlene Zitierweise:
Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17. Mohr, Freiburg i. Br. 1894, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_006.jpg&oldid=- (Version vom 4.5.2023)