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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17

verwendet wurde, eine Menge freier Arbeitskraft vorhanden, die in die Lücke einsprang. So entstand der Kleinpächterstand, die coloni der Kaiserzeit, an Stelle der Sklaven, aber nicht aus den Sklaven heraus, sondern aus landlosen Römischen Bürgern und Provinzialen, die sich unter allen Bedingungen den Grossgrundbesitzern verschreiben mussten, um ihren Lebensunterhalt zu erwerben, wenn sie in jener Zeit des Vorherrschens der landwirthschaftlichen Production in der Industrie, im Handwerke keinen Platz fanden. Die Ausbildung der Grundherrschaften machte sie thatsächlich zu Hörigen mit hohen Abgaben und Frohnden, und der Staat drückte der Hörigkeit den gesetzlichen Stempel auf, als er die ländliche Bevölkerung an die Scholle fesselte, um sich seine Steuern und die Mannschaft für sein Militär zu sichern.

Die Vergrösserung der Absatzgebiete führte auch im Römischen Reiche aus der Production im und für das Haus zur industriellen Unternehmung, die zunächst freilich mit Sklaven für den Markt arbeitete. Gerade die Vergrösserung der Industrien führte aber auch zur selbständigeren Stellung der Sklaven, die in ihr beschäftigt waren und auf dem Wege des peculium und des Loskaufes zur freien Arbeit, zum Uebergange des Handwerkes in die Hände der Freigelassenen, denen bei ihrer niedrigen socialen Stellung auch das eingewurzelte Vorurtheil nicht im Wege stand, das den Altbürgern die Ernährung durch ihrer Hände Arbeit als entehrend erscheinen liess.

Aus dem Mangel an unfreien Arbeitskräften erklärt es sich auch, dass in der Kaiserzeit die Sklavenzüchtung häufiger wurde und dass vielleicht auch die Arbeitskraft der Sklaven mehr geschont wurde. Indess gerade dies musste wieder die Sklavenarbeit vertheuern und die Vortheile, die sie im Vergleiche zur freien Arbeit dem Herrn bot, verringern. Es ist also erklärlich, dass die Lücken, welche Tod und Freilassung in die Arbeitsarmee der Sklaven riss, nicht wieder durch Unfreie ausgefüllt werden konnten. An dieser Thatsache darf uns auch nicht irre machen, dass gerade in der Kaiserzeit die Schaaren der Luxussklaven, welche sich die Vornehmen in den Grossstädten zu ihrer persönlichen Unterhaltung und Bedienung hielten, immer noch anwuchsen. Denn gerade diese waren der Landwirthschaft und dem Gewerbe entzogen, und gerade sie stellten das relativ grösste Contingent der Freigelassenen.

Empfohlene Zitierweise:
Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17. Mohr, Freiburg i. Br. 1894, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_009.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)