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Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17

Sklaven hielten oder mit ihnen Handel trieben, und in allen Reichen, in denen die christliche Kirche Einfluss besass, wurde diese Art der Sklaverei verboten. Andererseits aber machen die Franken in ihren Kriegszügen an der östlichen Grenze der christlich-Germanischen Civilisation Avaren und Slaven massenhaft zu ihren Sklaven[1]. Lange Zeit ging durch Böhmen lebhafter Sklavenhandel nach Deutschland und war Sklavenmarkt in Prag[2], bis die östlich an Böhmen angrenzenden Länder dem Christenthume und der Civilisation erschlossen wurden, bis auch mit ihnen der völkerrechtliche Zusammenhang hergestellt wurde. Später entstand in den nordöstlichen Marken die Leibeigenschaft. „Unfrei war dem Deutschen Orden“, so sagt Lamprecht[3], „wer ein Knecht der heidnischen Götzen blieb, frei, wer dem Christengotte sich fügte“. – Nicht anders war es, wo die Nachfolger der Römer mit den Nachfolgern der Parther, wo Christen mit Mohamedanern zusammenstiessen. Wie die Mohamedaner nicht ihre Glaubensgenossen, wohl aber Christen zu Sklaven machten, so handelten die Christen ihrerseits mit Mohamedanischen Sklaven; Islam und Christenthum konnten sich gegenseitig nicht anerkennen. Italienische Gelehrte haben interessante statistische Tabellen über den Handel mit Saracenischen (und Tatarischen) Sklaven zusammengestellt[4], der trotz allen angeblichen Naturrechtes in Venedig und Genua noch in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters schwunghaft betrieben wurde, zu einer Zeit, als in Italienischen Städten schon mit gesetzlichen Massregeln gegen das Halten inländischer christlicher Sklaven angekämpft wurde. Wenn das Anschwellen der Sklavenpreise und die grössere Seltenheit der Urkunden auf ein allmähliches Zurückgehen des Sklavenhandels in Italien im 15. Jahrhundert schliessen lässt, so kann man auch diese Erscheinung nur aus der engeren Verbindung und den geregelteren Beziehungen des christlichen mit dem Mohamedanischen Staatensysteme erklären.

  1. Vgl. Inama-Sternegg, Deutsche Wirthschaftsgesch. I, 238. II, 76.
  2. Vgl. Lippert in der Prager Bohemia 1890 Nr. 10, und J. Peisker, Die Knechtschaft in Böhmen (Prag 1890).
  3. Lamprecht, Deutsche Geschichte III, 408.
  4. Vgl. Abignente a. a. O. S. 254 ff. auf Grund von Cibrario’s Forschungen.
Empfohlene Zitierweise:
Ludo Moritz Hartmann: Zur Geschichte der antiken Sklaverei. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 11 (1894), 1–17. Mohr, Freiburg i. Br. 1894, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_014.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)