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Theoderich der Grosse in der kirchlichen Tradition des Mittelalters und in der Deutschen Heldensage.
Von
G. Schneege.


Erst die neuere kirchlich unbefangene Geschichtsschreibung ist dem Andenken des grossen Ostgothenkönigs Theoderich gerecht geworden. Epochemachend für seine historische Würdigung war nächst Manso in der „Geschichte des Ostgothischen Reiches in Italien“ F. Dahn in seinem umfassenden Werke: „Die Könige der Germanen“. Das ganze Mittelalter hindurch hat dagegen mönchisch-gelehrte Tradition in orthodoxem Eifer das Bild des geschichtlichen Theoderich, in welchem sie nur den Arianischen Häretiker sah[1], von Jahrhundert zu Jahrhundert mehr und mehr verdunkelt, ja entstellt, und aus dem „weisen und gerechten“ Barbarenkönige des Byzantinischen Geschichtsschreibers Prokop von Cäsarea den Typus eines grausamen Tyrannen und fanatischen Wütherichs geschaffen. Während aber die kirchlich-gelehrte Geschichtsschreibung des Mittelalters in Folge ihres ausschliesslich kirchlichen Standpunktes und ihres

  1. „Seit Samuel’s des Propheten Tagen nahm keiner, der sich mit der Kirche entzweite, ein glückliches Ende“, schreibt Schiller in seiner Geschichte des dreissigjährigen Krieges bezüglich Wallenstein’s. Mutatis mutandis gilt dies auch von Theoderich d. Gr. Er entzweite sich als Arianer mit der Orthodoxie des siegenden Katholicismus und sah sich durch die Angriffe des letzteren endlich zur Nothwehr und zum offenen Bruche getrieben. Daher gönnten ihm seine religiösen Gegner kein ehrliches Grab, liessen ihn vielmehr als reuigen Sünder eines kläglichen Todes sterben und in der Hölle die gerechte Strafe seiner Missethaten erleiden.
Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Schneege: Theoderich der Grosse in der kirchlichen Tradition des Mittelalters und in der Deutschen Heldensage. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Band 11 (1894), S. 18–45. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br., Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_018.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)