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seine Versöhnungspolitik vergeblich gewesen sei, dass er Feindschaft und Verrath ernte, wo er Vertrauen und Dankbarkeit gesät hatte. Kein Wunder, dass er den Boethius einkerkerte, ihm den Process machen liess und ihn nach längerer Haft mit dem Tode bestrafte[1]. Den Papst Johannes liess er, als derselbe endlich zurückgekehrt war, in’s Gefängniss werfen, wo er bald darauf starb[2]. Theoderich selbst überlebte den Tod des Papstes nur wenige Monate. Er starb mehr als 70 Jahre alt, am 26. August 526 eines natürlichen Todes. Möglich, dass die Aufregungen seines letzten Regierungsjahres sein Ende beschleunigt haben; sicher ist soviel, dass er in Folge einer acuten Krankheit eines natürlichen Todes starb[3].

Während aber die unparteiische Geschichtsforschung in der Hinrichtung des Boethius und Symmachus und der Gefangensetzung des Papstes Johannes einen Act der Nothwehr gegen die verrätherische Opposition der römisch-katholischen Orthodoxie und des Senates, des Vertreters des gebildeten, die Germanischen Barbaren verachtenden Römerthums, erkennt, urtheilten die Feinde Theoderich’s, Römer und Byzantiner, natürlich anders. Sie sahen in dem bald nach dem gewaltsamen Tode ihrer Vorkämpfer erfolgten schnellen Abscheiden des „fluchwürdigen Ketzers“ die gerechte Strafe des Himmels für seine Grausamkeit. Der plötzliche Tod des Arianers erinnerte die katholischen Fanatiker an das plötzliche Abscheiden des Arius am Vorabend seiner Wiederaufnahme in die Kirchengemeinschaft. Der Herr habe seine Getreuen vor grösserem Unheil bewahren wollen; er habe nicht nur jene Märtyrer gerächt, sondern auch seine Kirche vor Unterdrückung, seine Gotteshäuser vor der Zerstörung durch die Arianischen Ketzer gerettet. Nichts Geringeres nämlich habe

    Respondissem Canii verbo, qui cum a Caio Caesare Germanici filio conscius contra se factae coniurationis fuisse diceretur: „Si ego, inquit, scissem, tu nescisses“. Eben diese Sprache erschöpfte offenbar die Geduld Theoderich’s und führte das gewaltsame Ende des Boethius herbei. – Derselbe Boethius hatte wenige Jahre vorher (522) kein Bedenken getragen, den „Tyrannen“ durch eine glänzende Lobrede zu verherrlichen, vgl. Boeth. de consol. II, 3, ed. Peiper S. 30. A. Schäfer, Quellenkunde der Griech. u. Röm. Gesch. II, 180.

  1. Anon. Val. 87. Die längere Haft folgt aus Boethius’ de consol. besonders I, c. 4.
  2. Anon. Val. 93.
  3. Anon. Val. 95. Jord. de reb. Get. c. 59.
Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Schneege: Theoderich der Grosse in der kirchlichen Tradition des Mittelalters und in der Deutschen Heldensage. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Band 11 (1894), S. 18–45. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br., Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_022.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)