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Von eigentlicher Charakteristik kann allerdings kaum die Rede sein, da sie in der Regel ihre Quellen ohne Kritik ausschrieben und sich höchstens rhetorische Zuthaten gestatteten. Letztere fielen natürlich zum Nachtheil des Arianischen Ketzers aus.

Ein jüngerer Zeitgenosse Walafried’s, der Mönch Adrevald von Fleury, verfasste um die Mitte des 9. Jahrhunderts ein Buch über die Wunder des heiligen Benedict und schickte als Einleitung eine kurze Uebersicht der Geschichte Italiens bis auf seine Zeit voraus. Da lesen wir denn von Theoderich: homo pestilens Arrianae sectae, quique nulli bonorum mala irrogando parceret, omnibus malis favorabiliter assentaretur. Denique inter caetera facinora sanctissimum Johannem papam Romanum carcerali inedia maceratum necavit duosque senatorii ordinis viros et exconsules, Simmacum videlicet atque Boetium, in carcere gladio transverberavit; hierauf folgt ein Hymnus auf Chlodwig, den allerchristlichsten König[1]. Die Steigerung ist unverkennbar: die guten Bürger verfolgte Theoderich, die schlechten begünstigte er; die Einkerkerung des Papstes Johannes und die Hinrichtung des Boethius und Symmachus bildeten nur den Gipfelpunkt seiner sonstigen Schandtaten.

Wie anders urtheilten der Italische Chronist, den wir den jüngeren Anonymus Valesianus nennen, und der Byzantiner Prokop! Ersterer konnte sich in seiner orthodoxen Beschränktheit die Sinnesänderung Theoderich’s nur als eine Eingabe des Teufels erklären[2], letzterer betonte am Ende seiner Charakteristik ausdrücklich, dass jene Gewaltthaten, wie er sie von seinem Standpunkte aus nannte, das erste und letzte Unrecht des milden und gerechten Königs gewesen seien[3][WS 1].

In eben jenem Reichenau, dessen Abt Walafried Strabo von 842 bis 849 war, entstand in der Mitte des 11. Jahrhunderts die erste Weltchronik auf Deutschem Boden, die wegen ihrer chronologischen Genauigkeit geschätzte und im ganzen Mittelalter viel benutzte Chronik Hermann’s des Lahmen, ein für die

  1. Mon. Germ. SS. XV, 478.
  2. Anon. Val. 83.
  3. Prok. de b. Goth. I, 1: ἀδίκημα τοῦτο πρῶτόν τε καὶ τελευταῖον ἐς τοὺς ὑπηκόους τοὺς αὑτοῦ δράσας, ὅτι δὴ οὐ διερευνησάμενος, ὥσπερ εἰώθει, τὴν περὶ τοῖν ἀνδροῖν γνῶσιν ἤνεγκε.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage (in der Anmerkung): πρῶτον καὶ
Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Schneege: Theoderich der Grosse in der kirchlichen Tradition des Mittelalters und in der Deutschen Heldensage. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Band 11 (1894), S. 18–45. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br., Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_031.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)