Seite:De DZfG 1894 11 033.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Allein auch diese schwachen Versuche einer gerechten Würdigung Theoderich’s sind eben nur Ausnahmen. Schon in dem grossen Sammelwerke Ekkehard’s von Aurach heisst es wieder: „per maliciam impietatis et crudelitatis suae – rabie iniquitatis suae stimulatus – Arriana lue pollutus“, und es folgt die blutige Drohung, die Völker Italiens mit dem Schwerte auszurotten[1]. Doch finden wir bei Ekkehard neben dem höllischen Ende Theoderich’s auch die lebenswahre Erzählung des Jordanes von dem natürlichen Ausgang des hochbetagten Königs, wie er sterbend die Gothischen Grossen zu sich entbot, ihnen seinen zehnjährigen Enkel Athalarich als ihren König empfahl und mit prophetischem Blick auf die Gefahr hinwies, welche von Byzanz her drohe[2].

„O, über jenen tiefgesunkenen Freistaat!“, rief etwa ein Menschenalter später Otto von Freising emphatisch aus, „über jenes Volk, welches, einst durch Einsicht und Tapferkeit der Herr des Erdkreises, jetzt so weit gesunken ist, dass nur ein Barbar es von barbarischer Tyrannei befreien kann, dass es einen Tyrannen unterwürfig und gefügig aufnehmen muss, um der Herrschaft eines anderen Tyrannen zu entrinnen!“[3]. Dies

    usque ad Rhodanum fluvium, a Tyrreno mari usque ad Alpes Penninas et Iseram fluvium. Civitates omnes, quas regebat, miro opere restaurare et munire sollertissime fecit.

  1. Mon. Germ. SS. VI, 129.
  2. So sind folgende Worte des Jordanes aufzufassen, in denen wir den Amtsstil Cassiodor’s deutlich erkennen: eisque in mandatis ac si testamentali voce denuntians, ut regem colerent, senatum populumque Romanum amarent principemque Orientalem placatum semper propitiumque haberent post deum. – Mit dramatischer Lebendigkeit malt Dahn die gefährdete Lage des Ostgothischen Reiches beim Tode Theoderich’s: „nationaler und religiöser Hass trennte die Unterthanen, es fehlte an einer soliden gesammelten Macht, die frische Naturkraft der wilden Franken drohte im Norden, die zähe Macht der schlauen Byzantiner lauerte im Süden, und die Regierung dieses Reiches übernahmen jetzt ein Weib und ein Kind“. (Dahn, Könige II, 175.)
  3. Otto v. Freising chron. V, 1. (Mon. Germ. SS. XX, 214): Vide rempublicam miserabiliter labefactam, cerne populum illum, sapientia ac viribus quondam orbis dominum, ad tantum venisse defectum, ut a barbarica tyrannide conculcatus, gravique dominatione mancipatus, non nisi a barbaro liberari queat, tyrannum subiecte ac gratanter suscipiat, ut alterius tyranni dominationem effugiat.
Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Schneege: Theoderich der Grosse in der kirchlichen Tradition des Mittelalters und in der Deutschen Heldensage. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Band 11 (1894), S. 18–45. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br., Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_033.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)