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Angriff des Gegners, bis er schwere Wunden empfangen, ja sogar den Schild verloren hat und nun mit Löwenstärke siegreich vordringt[1]. Auch dem Kampfe mit dem Riesen Sigenot sucht Dietrich anfangs auszuweichen[2].

Die vorsichtige Zurückhaltung Dietrich’s, sein Zagen vor dem Kampfe, seine gewandte Abwehr des ungestümen Gegners, um im entscheidenden Augenblicke seinerseits siegreich zum Angriffe überzugehen, erinnert uns an die äusserst vorsichtige und zurückhaltende, aber im richtigen Momente thatkräftige und siegreiche Politik Theoderich’s. Schon Ennodius preist die Vorsicht seines Herrn als die unzertrennliche Begleiterin aller seiner Thaten[3], und Prokop bezeichnet Theoderich’s Politik als den Gipfel der Erfahrung und Vorsicht[4][WS 1]. Besonders den Franken gegenüber hat Theoderich diese vorsichtige Klugheit, die seine ganze äussere Politik charakterisirt und durch die innere Schwäche seines Reiches geboten war[5], wiederholt bewährt. Im Kriege zwischen Franken und Burgundern zeigte Theoderich eine abwartende, klug berechnende Haltung, um sich im richtigen Augenblicke eines Theils der Burgundischen Beute zu bemächtigen. Prokop rühmt, dass Theoderich durch seine Klugheit ohne Schwertstreich, ohne Verlust eines einzigen Kriegers durch eine geringe Summe die Hälfte der Beute gewann, während seine Fränkischen Bundesgenossen allein gekämpft und allein gesiegt hatten[6]. Dem staatsklugen Byzantiner hat die gewandte Politik Theoderichs offenbar gewaltig imponirt, da er sie bei einem Barbarenkönige kaum vermuthet hatte. Anders urtheilten die Westgothischen Grossen, als Theoderich im Kriege zwischen seinem Schwiegersohne Alarich II. und König Chlodwig, obwohl er Beistand versprochen hatte, ebenfalls eine abwartende Haltung

    hân ich hie niht vunden. | verwâzen müese sîn der mir dich lobt ze keinen stunden. | du maht wol heizen Dieterîch: | dem vürsten dâ von Berne | tuost aber niht gelîch.

  1. Eckenlied Str. 120.
  2. Sigenot Str. 4.
  3. Ennod. paneg. X: advocasti providentiam actuum tuorum comitem.
  4. Prok. de bello Goth. I, 12: δείσας δὲ Θευδέριχος ἅτε ξυνέσεως ἐς ἄκρον καὶ ἐμπειρίας ἥκων – – –.
  5. Dahn, Könige II, 141 ff.
  6. Prok. de bello Goth. I, 12: οὕτω τε Θευδερίχου ἡ πρόνοια ἔτι μᾶλλον ἐγνώσθη, ὅς γε οὐδένα τῶν ὑπηκόων ἀποβαλὼν ὀλίγῳ χρυσῷ τὴν ἡμίσειαν τῶν πολεμίων ἐκτήσατο χώραν.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage (in der Anmerkung): δείσας τε Θευδέριχος, ἇτε
Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Schneege: Theoderich der Grosse in der kirchlichen Tradition des Mittelalters und in der Deutschen Heldensage. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Band 11 (1894), S. 18–45. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br., Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_042.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)