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und Ueberfälle, in alle Anzettelungen, selbst mit Cäsar Borgia[1]. Erst nach Piero’s jähem Tod, als, anderer vielleicht mitwirkender Motive der Lage zu geschweigen, Ebbe in der Kasse eingetreten war, hat er um 1503 für zweckmässig befunden, eine andere Miene aufzusetzen. Seitdem hat er, oft genug bis zur Erschöpfung seines Eigens, in Rom den gütigen Patron aller Florentiner gespielt, und sich in jeder Weise bemüht, wie man sagen könnte, moralische Eroberungen zu machen.

Auffallend genug erinnert das Verhalten des jungen Cardinals an das des Prätendenten Louis Napoleon, der auch zuerst durch Verschwörungen und Putsche in Frankreich die Gewalt zu erraffen gemeint hatte, dann jedoch, weiser geworden, in England den aufmerksamen Beobachter gespielt und emsig Freunde und Anhänger geworben hatte.

Gleich ihm, dem nachherigen Kaiser, hatte auch der spätere Leo X. als junger Mann Jahre lang das Gewerbe des Verschwörers getrieben. Die ihm eigenthümliche Lust zu täuschen, die Unbekümmertheit um unerfüllbare Versprechungen[2], die Geschicklichkeit im doppelten Spiel, die für einen Papst so auffällige Gleichgültigkeit gegen die Moralität seiner Werkzeuge, soweit sie nur brauchbar waren, erscheinen als nicht abzulehnendes Vermächtniss aus jener Periode des Flüchtlingstreibens.

Zwar hatte Giovanni nicht sowohl für sich selbst, als für die Ansprüche des Hauses mitgearbeitet. Für einen am Gelingen so nahe interessirten Theilnehmer der Versuche zur „Wiedererlangung des Vaterlandes“ mussten die bleibenden Eindrücke jedoch nahezu die gleichen sein. Ohne eigentliche Grösse, selbst ohne die hohe Leidenschaft der Empfindung, die bei den politischen wie künstlerischen Bestrebungen Julius’ II. mit so elementarer Kraft herausgebrochen war, ein Mann von gutem Mittelschlag in jeder Beziehung war der Papst Leo so recht ein Kind des Glückes. Und das ist ihm seitdem treu geblieben

  1. Das beweist das Zeugniss des über Leo sehr wohl unterrichteten P. Jovius in einer ganzen Reihe von Fällen. Jovius, De vita Leonis (in den vitae illustrium virorum (Basil. 1567) II, S. 56 und 71; vgl. 46; 60; 62.)
  2. Dieser Zug wird sowohl von dem Venetianer Gradenigo (Rel. VII, 72), als von dem mit den Medici nahe vertrauten Vettori hervorgehoben, Sommario della storia d’Italia im Archivio storico Ital., Append. tom. VI, 340; vgl. 297.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_094.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2023)