Seite:De DZfG 1894 11 116.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

„generales reformatores studii“ „als Häupter des Universitätsorganismus“ erscheine. Muther findet hier deutliche Zeichen, dass der kirchliche Einfluss, der durch die Kanzler, „gewissermassen die den Papst an Ort und Stelle vertretenden Commissarien“ (p. XIV) repräsentirt gewesen sei, vor der staatlichen Oberaufsicht zurückweiche. Die „generales reformatores studii“ sind ihm die Vorläufer „der heutigen Universitätscuratoren“, und zwar selbst ohne eigentliches Vorbild.

Diese Gedanken und Auffassungen bedürfen nach mancher Seite einer Correctur. Es ist gewiss richtig, dass in den Statuten von Wittenberg der Geist der neuen Zeit offenbar wird, aber Wittenbergs Gründung bildet nicht in dem Sinne Epoche in der Geschichte der Universitäten und im besonderen der Deutschen Universitäten, wie Muther es darstellt.

Von den beiden Punkten, die Muther betont, Hervortreten des staatlichen an Stelle des kirchlichen Einflusses und Minderung der mittelalterlichen Autonomie der Universitäten, werde ich zunächst den zweiten untersuchen. Muther hat schon selbst seine Behauptung erheblich abgeschwächt, indem er die allerdings unzweifelhafte Thatsache anerkennt, dass die Statuten von 1508 der Universität und den Facultäten sachlich die übliche Selbstverwaltung nicht verkürzten. Disciplin, Lehrverfassung, Prüfungen, Befugnisse von Rector und Decan, Wahl dieser Behörden – all’ das war in Wittenberg nicht wesentlich anders, als an anderen Deutschen Universitäten geordnet, und die Unterschiede, die sich finden, verrathen keineswegs das Bestreben, die Selbstverwaltung durch staatliche Bevormundung zu mindern. Auch die Einsetzung der „generales reformatores studii“ ist nicht als eine solche Einschränkung anzusehen. Freilich gab der Kurfürst diesen Reformatores unbeschränkte Vollgewalt, „omnimodam supremam et absolutam potestatem“, an seiner Stelle die Universität zu leiten, die Statuten zu ändern und Appellationen gegen Beschlüsse der Universität anzunehmen, „Universitatem gubernandi, statuta commutandi, ad eos liberum esse ab Universitate provocandi“. Die mit solcher Vollmacht ausgestattete Behörde sollte aus dem jeweiligen Rector und drei von dem Kurfürsten ernannten Männern bestehen – „rectorem pro tempore et tres alios per nos vobis denominandos“ – und sie erscheint also als eine rein bureaukratische Aufsichtsbehörde,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_116.jpg&oldid=- (Version vom 8.5.2023)