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haben, denn 1400 wiederholte König Ladislaus bei Gelegenheit eines neuen Privilegs ohne weitere Bemerkungen die Bestimmung Kasimir’s, dass der Königliche Kanzler die Prüfungen leite und die Licenz ertheile[1].

Irrig ist ferner, dass Muther in dem geringen Einfluss, den der Kanzler in Wittenberg gewann, ein Argument für seinen Satz von dem Zurückdrängen des kirchlichen Einflusses bei Wittenbergs Gründung findet. Muther hat eine übertriebene Vorstellung von der Macht des[WS 1] Kanzlers im Mittelalter. Dies Amt war an den verschiedenen Universitäten sehr verschieden ausgebildet, nicht bloss, dass es in Oxford etwas völlig anderes war wie in Paris oder in Bologna, auch an den Deutschen Universitäten zeigen sich grosse Unterschiede. In Heidelberg und Wien[2] hatte der Kanzler sehr geringen Einfluss, in Tübingen und in Leipzig trat er bedeutend hervor. Aber gerade auch in Leipzig erscheint der Kanzler bisweilen in der Thätigkeit eines fürstlichen Kommissars. So vollzog der Kanzler Bischof Tilo von Merseburg die Statutenreformation von 1496, wie er ausdrücklich sagt „ex singulari – – – ducum – – – Saxoniae, fundatorum commissione.“ (Zarncke, Statutenbücher S. 17, Zeile 38.) Die Landesherren haben in Leipzig den Kanzler bei ihren Verordnungen häufig zur Mitwirkung zugezogen, aber in andern Fällen sind sie ohne ihn vorgegangen. Die Stellung des Kanzlers wurde in Wittenberg nicht wesentlich anders gefasst, als sie bereits lange zuvor an anderen Universitäten gewesen war, und kann also nicht als Argument dienen für Muther’s Auffassung, dass der Kurfürst den kirchlichen Einfluss auf seine Universität zurückzudrängen gesucht habe. Gegen solche Absicht des Kurfürsten spricht überdies die Thatsache, dass sich der Kurfürst in auffallender Weise bemühte, für die durch Stiftungsbriefe des Kaisers und des päpstlichen Legaten gegründete Universität noch eine weitere Bestätigung „authoritate apostolica“ zu erhalten[3].

Gewiss tritt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts der staatliche Einfluss auf die Universitäten kräftiger hervor, es

  1. Bd. I dieser Zeitschrift, 138 ff. In dem Album Univ. Cracov. (Crac. 1883) erscheint 1400 der Bischof als Kanzler, aber ein Laie, der Vicecancellarius regni Poloniae als Promotor.
  2. Kink I, 133 u. 251. Anm.
  3. Bd. I dieser Zeitschr., S. 161 ff.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: der
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_142.jpg&oldid=- (Version vom 8.5.2023)