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stossen“. Sind diese Autoritäten wirklich innerlich morsch, so kann freilich nichts Besseres und Dringlicheres geschehen, als dass man sie umwirft – dann mag Thukydides immerhin fallen und Perikles, den er, der conservative Mann (Beloch, S. 513), so verehrte, mit ihm. Aber wir haben nicht den Eindruck, dass das, was man Jahrhunderte lang angenommen hat, so bald dahinfallen wird – über die massvolle Kritik Nissen’s (a. a. O. S. 420 ff.) über Thukydides und Perikles wird die Wissenschaft kaum hinauskommen – und wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass der „Perikles-Cultus“ noch oder wieder „in schönster Blüthe stehen“ wird, wenn man von den heutigen Antiperikleern höchstens noch die Namen in gelehrten Handbüchern finden wird. Ein Wort, das Ernst Maass in Greifswald neulich gegenüber einem auch geistreichen Versuch, die Scävolasage auf die Stoiker und ihr Prahlen mit der ἀπάθεια zurückzuführen, in der Deutschen Literaturzeitung geschrieben hat (1893, Sp. 1355), scheint uns äusserst beherzigenswerth und mutatis mutandis auch in unserem Fall anzuwenden: „Die Wissenschaft muss diese Art galoppirender Methode auf das Entschiedenste ablehnen“.

G. Egelhaaf.     


Der Titel der Germania. Während von den beiden neuesten Bearbeitern der Römischen Literaturgeschichte der eine (L. Schwabe bei Teuffel II5, 839) im Anschluss an eine Vermuthung August Reifferscheid’s als den „wahrscheinlich“ ursprünglichen Titel der Germania des Tacitus „de situ Germaniae“ betrachtet, und der andere (M. Schanz II, 368) sich einer bestimmten Meinungsäusserung enthält, hat kürzlich E. Wölfflin (Rhein. Mus. XLVIII [1893], 312 f.) unter Zurücknahme seiner früheren Ansicht[1] sich für die vollständige Beibehaltung der durch den codex Leidensis gebotenen Fassung „de origine, situ, moribus ac populis Germanorum“ ausgesprochen, und als gewichtigen Zeugen für letztere den Cassiodorius, einen Benützer der Germania, vorgeführt, welcher nach der Angabe des Anecdoton Holderi (ed. Usener) S. 4, 27 f. „scripsit praecipiente Theodoricho rege historiam Gothicam, originem eorum et loca moresque XII libris annuntians“. „Da Cassiodor keinen Anlass hatte, von den Völkern der Gothen zu reden, wie Tacitus im zweiten Theile seiner Schrift von den Völkerschaften der Germanen, so zeugt sein Titel nicht gegen ‚populis‘, sondern geradezu für die viergliedrige Ueberschrift des codex Leidensis“. Ich bin mit Wölfflin vollkommen einverstanden, will aber versuchen, da die Frage – für uns Deutsche

  1. Im Hermes XI (1876), 126 f. hatte er mit eklektischer Benützung des Leidensis „de situ ac populis Germaniae“ befürwortet.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_151.jpg&oldid=- (Version vom 8.5.2023)