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Der ganze hohe Adel, der den Kaiser umgiebt, ist sehr dumm und begränzt. Vorzüglich zeichnet sich der Fürst Palm durch seinen Reichthum, Aufwand, und Prachtstolz aus; so wie von Seite des Kopfs durch Stupidität. Seine Erhebung in den Fürstenstand, sein Kammerherrnschlüssel, Geheimderathstitel und Hoforden haben ihn 1 ½ Million gekostet. Solche Narren mag der Kaiser wol leiden, die ihm für Titel und Bänderchen so viel bezahlen. Alles was Palm ist und hat verdankt er seinem Geld (ohne welches er folglich die elendste Kreatur wäre). Sogar seine izige Frau soll er ihrem vorigen Mann ordentlich abgekauft haben.

Die debauche ist unter den hiesigen Grossen so stark im Trieb als an andern Orten. Der alte Fürst Baar, ein alter debauché, hatte einst einen Eremiten bey sich zur Tafel. Man kam auf die Hülflosigkeit und Traurigkeit dieses einsamen Lebens zu sprechen; und jemand fragte den Einsiedler, ob er dann nie keinen Trieb zu andern Menschen spühre, ob er nie keine Anfechtungen des Fleisches habe? Ja freylich, zuweilen wol, antwortete der Eremit mit Achselzuken, aber durch Fasten und Beten gelingt es mir immer sie zu unterdrüken. Ach mein lieber Mann! versezte der alte Baar, könnt ich ihm seine Anfechtungen abkaufen, wie gern wollt ich sie ihm bezalen! und wie glüklich wären wir beyde!

Nun ein Blik aufs Ministerium:

Kauniz, als erster Staatsminister, soll 60 000 fl. Revenues vom Kaiser haben. Zu den Zeiten der verstorbnen Kaiserin war sein Credit am Hof und auswärts unermesslich und izt noch ist ers auswärts im gleichen Grad; man betrachtete ihn als den Vater des Oesterreichschen Hauses. In Wien fängt er an zu sinken. Der Kaiser frägt ihn nicht mehr über alles um Rath; zwahr geht es oft um desswillen nicht desto besser. Seine Petitmaitrey und äusserst übertriebne Pünktlichkeit und Genauigkeit, die natürlich mit dem höhern Alter noch zunehmen, machen ihn bey vielen Leuten lächerlich. Er bildet sich ein einer der schönsten Männer zu seyn, und dass alles was er thut ihm wol anstehe, dass niemand so gut zu Pferd size, niemand so gut Billard spiele, u. s. w. wie er. Wenn er sich Relationen vorlesen lässt, so spazirt er gewöhnlich mit einem Federnwisch in der Hand im Zimmer herum, und wischt den Staub von den Wänden. Bis gegen Mittag bleibt er im Bett ligen, und braucht dann 2 Stunden zu seinem Toilet, da er so übertrieben pünktlich und eigensinnig in seinem Anzug ist. Wenn eine Falte am Kleid oder ein Häärchen an der Perüke unrecht ligt, so ist das Stoff genug, dass der Bediente, der sich darinn verfehlte, in Ungnad fallen und seinen Plaz verlieren kann. Einer seiner Bedienten (ein Schneider

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_173.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2023)