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die Kernfragen des Geschichtsunterrichtes auf Gymnasien und verwandten Anstalten zur Discussion gestanden. Bei Bestimmung des Unterrichtszieles im Verhältniss zu den Aufgaben des öffentlichen Lebens waren die Gegensätze heftig auf einander geplatzt; man hatte schliesslich in einer sehr entschiedenen Form, deren besondere Schärfe aber, wie anerkannt werden muss, nur durch Zufälligkeiten veranlasst war, jede Art von politisch-tendenziöser Verwerthung des Unterrichts abgelehnt und sich dafür ausgesprochen, dass derselbe nur historische Bildung zu geben habe. Von der Bedeutung der alten Geschichte war in diesem Zusammenhang auch mehrfach die Rede gewesen, und diese Frage war nun dieses mal speciell herausgegriffen worden. Sie ist für sich allein ja wichtig genug und hängt mit einer Reihe von anderen Problemen zusammen; aber sie gab doch nicht zu so scharf ausgeprägten Gegnerschaften Veranlassung. Die Verhandlungen verliefen deshalb ruhiger, es fehlten die beinahe dramatischen Momente, aber auch die verwirrenden Complicationen. Referenten waren die drei Directoren O. Jäger aus Köln, E. Hannak aus Wien u. O. Kämmel aus Dresden. In der Hauptsache, in der Anerkennung des Werthes der alten Geschichte und in dem Zugeständniss, dass in den letzten Schuljahren für die neuere Geschichte ausreichend Raum bleiben müsse, stimmten die drei Referenten und mit ihnen die meisten Redner überein, so dass die beiden Thesen, die diese beiden Gedanken aussprechen, so gut wie einstimmig zur Annahme gelangten; unter dieser glatten Oberfläche aber sind doch, wie man sehen wird, mancherlei recht tiefgreifende Gegensätze verborgen.

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Um den Werth der alten Geschichte zu bezeichnen, einigte man sich auf die These des dritten Referenten, Director Kämmel, zu deren Gunsten Dir. Jäger und Dir. Hannak ihre entsprechenden Sätze zurückgezogen hatten. Die einstimmig angenommene These lautet: Da eine wirkliche Quellenlectüre im Gymnasium in einiger Ausdehnung nur auf dem Gebiete des Alterthums möglich ist, wo alle Lectüre im weiteren Sinne diesen Charakter trägt, und da ferner die Geschichte der Griechen und Römer nicht nur an sich eine der wichtigsten Partien der allgemeinen Geschichte und die Voraussetzung für das Verständniss unsrer eignen bildet, sondern auch ein in sich völlig abgeschlossenes und verhältnissmässig leicht übersichtliches Ganze darstellt, so muss der Unterricht in der alten Geschichte die Grundlage aller weiteren historischen Kenntniss und Bildung bleiben.

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Trotz dieser Einmüthigkeit bei der Abstimmung über die Kämmel’sche These gingen natürlich die Meinungen darüber, wie hoch der Unterrichtswerth der alten Geschichte, besds. im Vergleich zu dem der neueren, zu bemessen sei, ziemlich weit aus einander. Das zeigte sich hauptsächlich an drei Punkten. Ziemlich einmüthig war man zwar darin, dass die 3 Jahre des 2. Curses im neuen Preussischen Lehrplan zu knapp bemessen seien (eine Frage, auf die wir noch zurückkommen); aber die Einen machten dabei namentlich die Rücksicht auf die alte Geschichte geltend, für die man mit 1 Jahr nicht reiche; die Andern dagegen sprachen nur von Mittelalter und Neuzeit, für die 2 Jahre zu wenig seien. Zweitens legten die Einen besonderen Werth darauf, dass die alte Geschichte den Schülern in einem reiferen Alter vorgeführt werde, und wollten desshalb den Unterricht

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_188.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2023)