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in Geschichte überhaupt oder wenigstens den zweiten Cursus nicht zu früh beginnen lassen, während die Andern, zumal die Vertreter des Sächsischen Lehrplans (vgl. DZG 9, 163 Nr. 28), den Beginn der beiden Curse weiter zurückzuschieben geneigt waren, um für den histor. Unterricht im ganzen, besds. für die Neuzeit, mehr Spielraum zu gewinnen. Drittens endlich machten sich verschiedene Auffassungen in der Art und Weise geltend, wie man den Werth der alten Geschichte zu erläutern suchte.

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In ihren Ausführungen über dieses Thema fassten sich die Redner meist ziemlich kurz; es wird ja auch schwer sein, etwas Neues darüber beizubringen. Hervorgehoben wurden für den propädeutischen Werth (ähnlich wie in der angenommenen These) die Einfachheit der Verhältnisse und die Abgeschlossenheit der Entwicklung, die grössere Unbefangenheit für die Behandlung auch der schwierigen politischen und socialen Fragen: es sprächen weniger Herzenstöne mit, wie Dir. Hannak meinte. Doch blieb dieser Vorzug der alten Geschichte oder wenigstens die damit zusammenhängende Zurückhaltung für das Gebiet der neueren Geschichte nicht ganz unangefochten. Besonders Dr. Vogt (aus Augsburg) war es, der einer zu grossen Aengstlichkeit in diesem Punkte entgegentrat. Auf der Oberstufe sei man doch nicht in einer Kleinkinderschule, man habe es vielmehr mit heranwachsenden Jünglingen zu thun, die zur Theilnahme am Streit der Meinungen angeleitet werden sollten; das in echt historischer Weise am modernen Stoffe zu thun, sei eine der schönsten Aufgaben des Lehrers, gründliche Kenntniss in neuerer Geschichte der wichtigste Bestandtheil in der historischen Bildung des Gymnasiasten.

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Daneben kamen bei Erörterung des specifischen Werthes der alten Geschichte noch zwei Gesichtspunkte zur Geltung, zunächst die Beachtung der Quellenlectüre. Dir. Jäger betonte, dass der Gymnssialunterricht dazu führen solle, die Wahrheit selbst zu finden, der Schüler sei im Unterricht theils receptiv, theils productiv, im Geschichtsunterricht aber wesentlich ersteres; nur in alter Geschichte sei in Folge der Beziehungen zur classischen Lectüre in grösserem Maasse die Möglichkeit gegeben, den Schüler sich productiv bethätigen zu lassen. Auch in der angenommenen These ist ja dieser Gesichtspunkt angedeutet; doch hatte gerade der Antragsteller Dir. Kämmel auch darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit der Quellenlectüre, allerdings im geringeren Maasse, auch für neuere Geschichte vorhanden sei.

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Endlich wurde der Werth der alten Geschichte durch Dir. Hannak auch nach der Richtung der Willens- und Gesinnungserziehung zu bestimmen gesucht; gegenüber dem übermässigen Individualismus der Germanen sollte die alte Geschichte den alles beherrschenden Staatsgedanken darbieten. Es klang damit leise das Hauptthema des vorigen Historikertages an. Dir. Kämmel machte unter dem Beifall der Versammlung seine Bedenken gegen diese Verwerthung des Geschichtsunterrichtes geltend: die Consequenz sei, dass bei politischen Umwälzungen eine andere Tendenz vorgeschrieben werde.

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Von specielleren Fragen des Lehrplans und der Lehrmethode hielt man sich begreiflicherweise im allgemeinen fern; auch den Umfang,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_189.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2023)