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Berlin), traten für den Jäger’schen Standpunkt ein. Freilich machte sich auch Widerspruch geltend, z. Th. von dem Gesichtspunkt aus, dass es noch nicht an der Zeit sei, über den kaum ins Leben getretenen Lehrplan zu urtheilen (so Prov.-Schulrath Dr. Kramer aus Magdeburg). Im letzten Moment vor der Abstimmung wurde von Prof. Stieve (München) das Bedenken aufgeworfen, dass diese These doch eine Frage enthalte, die wir als Historiker zu beurtheilen nicht competent seien; er beantragte deshalb die These selbst gar nicht zur Abstimmung zu bringen. Ein grosser Theil der Versammlung hatte wohl schon lange die Empfindung, die ja auch im vorigen Jahre gelegentlich zum Ausdruck gekommen war, dass wir in Gefahr seien, unserer Historikerversammlung den Anstrich einer Philologenversammlung zu geben, und gerade für die vorliegende Frage schien Prof. Stieve’s Competenzbedenken Vielen berechtigt; es vereinigte daher eine sehr starke Minderheit auf sich, aber allerdings nur eine Minderheit. Mit 81 gegen 77 Stimmen erklärte man die These zur Abstimmung bringen zu wollen, und mit sehr starker Mehrheit nahm man sie dann wirklich an; nur wurden mit 88 gegen 70 Stimmen die oben eingeklammerten Worte geändert; statt „schwächt den historischen Sinn“ heisst es in der angenommenen These „erschwert den Unterricht in der alten Geschichte“.

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Nur gestreift wurde die für den Unterricht wichtige Frage der Vorbildung der Lehrer für alte Geschichte. Dir. Jäger hatte gleich einleitend seine Skepsis gegen tiefgreifende „Reformen“ des Gymnasiallehrplans ausgesprochen und das Heil vielmehr darin gesehen, dass die Ausbildung der Lehrer im Geiste der fortschreitenden Wissenschaft erfolge. Dir. Hannak ging kurz auf die Verhältnisse in Oesterreich ein, wo die Philologen zu sehr überbürdet seien, um guten geschichtlichen Unterricht zu geben, die Fachlehrer für Geschichte und Geographie aber meist in Mittelalter und Neuzeit oder in Geographie specieller bewandert seien, während nur ein kleiner Theil sich mit alter Geschichte beschäftigt habe; doch sei jetzt für Beachtung des Faches in Vorlesungen und Prüfung gesorgt. Es tauchte in der Debatte auch flüchtig der Gegensatz auf, dass manche sich geneigt zeigten, die alte Geschichte in möglichst naher Verbindung mit den classischen Sprachen zu halten und sie deshalb den classischen Philologen zu überlassen (auch in die gleich folgende These spielt die Frage etwas mit hinein), während Andere Werth darauf legten, dass sie von geschulten Historikern gelehrt werde. Zu einer eingehenden Behandlung und zu einem Austrag dieser und verwandter Fragen der Vorbildung kam es nicht.

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Die Frage der Stellung der alten Geschichte im Unterricht liess sich, wie man schon gesehen haben wird, natürlich nicht behandeln, ohne das Gegengewicht an der Wage, die Bedeutung eines intensiveren Betriebs der neueren Geschichte, in’s Auge zu fassen. Damit beschäftigte sich eine von Dir. Kämmel vorgeschlagene These, die mit leichten Aenderungen in folgender Fassung angenommen wurde: Auf der obersten Stufe des Gymnasialunterrichtes muss im systematischen Betriebe die alte Geschichte hinter der neueren, insbesondere der Deutschen, zurücktreten, der hier die planmässigen Stunden in der Hauptsache zu widmen sind; die vertiefende

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_192.jpg&oldid=- (Version vom 10.5.2023)