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Entwicklung dahin, für grössere Gebiete leistungsfähigere historische Commissionen oder Vereine zu schaffen, die selbst aber sehr verschiedenartig organisirt sind und ihr Verhältniss zur Localforschung in verschiedener Weise regeln.

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Die Gesellschaften, über die in Leipzig berichtet wurde, repräsentiren sehr verschiedene Typen der Organisation: es sind zum Theil staatlich eingesetzte Commissionen, wie in Steiermark, Baden und Sachsen, zum Theil freiere Gesellschaften oder Vereine, die allerdings fast überall von Staat, Provinz oder Gemeinde unterstützt werden, so in den Rheinlanden, in Schlesien, Ost- und Westpreussen. – Das Problem, die finanziell leistungsfähigen Bevölkerungselemente in der Provinz für die historischen Arbeiten zu interessiren, haben zwei dieser Gesellschaften in interessanter Weise angefasst. Die Steiermärkische Commission bietet für Zahlung eines grösseren dauernden Beitrags und für Oeffnung der altadeligen Familienarchive Gegenleistungen: die Abfassung von Geschichten der betr. Familien. Es ist ein interessantes, aber auch etwas bedenkliches Experiment, auf dessen Ausgang man gespannt sein darf. Die Rheinische Gesellschaft hat ebenfalls eine in Deutschland, so viel ich sehe, neue Form der Organisation mit Erfolg versucht, indem sie, ohne Gegenleistungen zu versprechen, die begüterten Geschichtsfreunde, den Adel wie das Bürgerthum der Provinz, zur Bethätigung ihres Mäcenatenthums einlud und diese „Patrone“ der Gesellschaft auch äusserlich von den eigentlichen wissenschaftlich thätigen „Mitgliedern“ trennte. Die Mitglieder aber können sich nicht einfach anmelden, sondern werden gewählt und zahlen keinen Beitrag. Gelegentlich ist in dieser Zeitschrift auf die ähnliche Organisation einer auswärtigen Gesellschaft hingewiesen (s. ’93, 275) und ich möchte glauben, dass sich das Muster mutatis mutandis auch auf minder wohlhabende Gebiete, als es die Rheinprovinz ist, anwenden liesse.

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Wichtiger aber scheint für viele Gegenden noch das Verhältniss der grösseren „Publikationsinstitute“ zu den Localvereinen und Localforschern. Einige dieser Gesellschaften stehen ganz für sich, andere haben eine organische Verbindung mit den übrigen in ihrem Gebiete bestehenden mehr localen Geschichtsvereinen gesucht, – so die Sächsische Commission, deren Beispiel in manchen Landschaften gewiss nachgeahmt werden könnte, oder auch die weit jüngere Württembergische Commission, über deren Thätigkeit leider nicht berichtet wurde. Eine gewisse Verwandtschaft damit haben Einrichtungen, wie die zuerst in Baden systematisch durchgeführte Bestellung von einigen Commissionsmitgliedern zu Delegirten für grössere Bezirke und Gewinnung von „Pflegern“, die diesen Delegirten unterstellt sind und die Durchforschung, Ordnung und Verzeichnung der Archive und Registraturen der Gemeinden, Pfarreien, Körperschaften, Privaten übernehmen. Der springende Punkt dabei ist, wie mir scheint, eine fruchtbare Verbindung zwischen Fachleuten und Dilettanten, die durch die ganze, oben flüchtig charakterisirte Entwicklung gefordert wird und thatsächlich auch vieler Orten erfolgt ist. Mehr als früher nehmen jetzt die grossen Gesellschaften die Hochschullehrer für die Landesgeschichtsforschung in Anspruch, und die kleineren

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_197.jpg&oldid=- (Version vom 10.5.2023)