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Vereine finden in den fachmännisch geschulten Historikern des Lehrerstandes eine kräftige Stütze, aber wichtiger als Universitäten und Schulen sind die Archive als Krystallisationspunkte der Landes- und Ortsgeschichte. Auf ihre nahe Verbindung mit den Gesellschaften kommt für gedeihliche Arbeit das meiste an.

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Während nun diese Dinge sich in den einzelnen Landschaften noch im vollen Fluss befinden, taucht doch zugleich auch schon das Bedürfniss nach einer Verbindung zwischen den verschiedenen Organisationen auf. Eine solche Verbindung würde etwa drei Aufgaben zu dienen haben: 1. der Einleitung von gemeinsamen Unternehmungen, 2. der Abgrenzung von concurrirenden Projecten, 3. der Verständigung über innere und äussere Gleichmässigkeit verwandter Arbeiten. An diesem Punkte ist nun von dem Historikertage eine Anregung ausgegangen, die möglicher Weise fruchtbar werden kann. Man hat folgende Resolution einstimmig angenommen: Die Versammlung erklärt es als dringend erwünscht, dass im Zusammenhang mit den künftigen Historikertagen Conferenzen von Vertretern der landesgeschichtlichen Publicationsinstitute zur Berathung gemeinsamer Angelegenheiten stattfinden. In der Debatte, an der sich u. a. Prof. Grünhagen, Archivrath Döbner und Archivrath Ermisch betheiligten, war lediglich der unbestimmte und unschöne Ausdruck „Publicationsinstitute“ beanstandet worden. Es gelang aber nicht, ihn durch einen besseren zu ersetzen.

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Wird der Gedanke ausgeführt und geht auch sonst die Entwicklung, die wir angedeutet haben, ihren Gang weiter, so würde sich für die landesgeschichtliche Forschung eine ganz natürliche dreistufige Gliederung ergeben: für ganz Deutschland eine lose Genossenschaft der grösseren „Publicationsinstitute“, für die einzelnen Territorien, die in etwa 15 bis 20 landschaftlichen Gruppen zusammenzufassen wären, leistungsfähige, streng wissenschaftlich geleitete Organisationen, die z. Th. schon bestehen, z. Th. mit Anpassung an örtliche Verhältnisse aus den vorhandenen Anfängen weiter auszugestalten wären, innerhalb der Landschaften aber drittens noch Vereine, die vor allem das locale geschichtliche Interesse zu pflegen hätten, z. Th. auch zu selbständigen grossen Unternehmungen befähigt sein würden, in der Regel sich aber zu gegenseitigem Nutzen an die grössere Organisation anlehnen müssten.

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Damit würde freilich, so viel ich sehe, für die jetzt schon existirende Verbindung der Deutschen Geschichtsvereine, den Gesammtverein in seiner heutigen Gestalt mit seinen jährlichen Versammlungen, die Daseinsberechtigung recht zweifelhaft werden. Aber das dürfte kein Unglück sein; denn wir müssen es uns doch gestehen: die wissenschaftlichen Berührungspunkte zwischen einem Localverein in Württemberg und einem in Brandenburg sind recht geringfügig, wirklich lebendige Gemeinschaft kann jeder Verein nur mit der Localforschung der nächsten Nachbargebiete und der Provinzialforschung des eigenen Territoriums haben. Und bei aller Hochachtung vor der Thätigkeit unserer localen Geschichtsvereine wird man es auch nicht leugnen können, dass sich der Gesammtverein zur Lösung oder Förderung grösserer gemeinsamer Aufgaben der Landesgeschichtsforschung, wie sie die Leipziger Anregung in’s Auge fasst, nicht

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_198.jpg&oldid=- (Version vom 10.5.2023)